Barrierefreie Alternativen stets mitdenken | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Barrierefreie Alternativen stets mitdenken

Juni 2025

Am 28. Juni 2025 tritt das neue Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) in Kraft. Werner Haring, Geschäftsführer von qbits, hat nicht nur die Website des Bildungsnetzwerk Steiermark nach den Kriterien des neuen Gesetzes weiterentwickelt, er stand uns auch zu diesem Thema Rede und Antwort.

Werner Haring von qbits @Bildungsnetzwerk

Informationstechnologie – Beruf oder Berufung?
Ich habe von 2001 bis 2004 an der FH Hagenberg bei Linz Medientechnik und Mediendesign studiert. Als ich gemerkt habe, dass aus mir kein Programmierer werden wird, der den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzt, habe ich in Graz noch ein BWL-Studium angehängt. Mein Ziel war, mich selbständig zu machen. Das bin ich nun seit 2012 und seit gut 20 Jahren arbeite ich im IT-Bereich.

Was sind Ihrer Meinung nach die wesentlichen Vorteile des neuen Barrierefreiheitsgesetzes?
Grundsätzlich, dass das Thema endlich Gehör findet. Durch das Gesetz und das festgelegte Datum, nämlich den 28. Juni 2025, gibt es Klarheit mit einem definierten Zeitpunkt und Unternehmen werden sich darum kümmern müssen. Bisher war es so, dass es ganz viel Commitment brauchte. Es gab bereits Kriterien, aber nur die wenigsten hielten sie zu 100 Prozent ein, da die Wahrnehmung der Wichtigkeit des Themas noch nicht so gegeben war.

Wie sieht eine barrierefreie Website eigentlich aus?
Sie muss zunächst wahrnehmbar sein. Da geht es um Schriftgrößen, Kontraste, Bilder und auch darum, dass nicht jedes Schmuckbild mit einem Alternativtext hinterlegt wird. Sonst kommt es, wenn Texte z.B. für Menschen, die schlecht sehen, vorgelesen werden, zu einem Overflow an Informationen. Ein weiterer Punkt ist die Nutzbarkeit, etwa, dass digitale Inhalte auch nur rein mit der Tastatur bedient werden können, wenn jemand keine Maus halten kann. Es geht aber auch um die Strukturierung der Website mittels Landmarks, damit man direkt zu einzelnen Abschnitten der Website gelangen kann und auch immer sieht, wo man gerade ist. Dann kommt noch die Verständlichkeit hinzu. Einer der gängigsten Fauxpas ist hier, dass die Überschriften nicht sinnvoll strukturiert und daher nicht erkannt werden, man also nicht die Vorgaben H1, H2 (Anmerkung Redaktion: H steht für Headline) usw. als Hierarchie in der Struktur nutzt. Und es geht um einfach formulierte Sprache, wobei man sich die Zielgruppe anschauen sollte. Ein wichtiger Punkt ist noch die Robustheit, das bedeutet, dass das, was man digital anbietet, auf unterschiedlichen Endgeräten genutzt werden kann und auch bei assistierenden Systemen funktioniert.

Haben Sie bisher selbst Erfahrung mit Websites sammeln können, die diesen Vorgaben entsprachen?
Ja, ich habe an einer Smartphone Applikation mitgearbeitet, die Menschen mit Beeinträchtigung Tipps zu alltäglichen Fragen zur Verfügung stellte, etwa wo man einen Rollstuhl parken kann. Da war es natürlich wichtig, auf Barrierefreiheit zu schauen.

 Wie barrierefrei ist die Website des Bildungsnetzwerk Steiermark, die qbits überarbeitet hat?
Die Website erwachsenenbildung-steiermark.at ist WCAG 2.1 AA konform umgesetzt und enthält keine Barrieren bezüglich ihrer Nutzung. Es gibt aber natürlich immer noch an der einen oder anderen Stelle Potential für weitere Optimierungen.

Gilt das neue Gesetz tatsächlich für alle?
Das Barrierefreiheitsgesetz gilt für Produkte sowie Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Es ist verbindlich für öffentliche Einrichtungen und private WirtschaftsakteurInnen. Nicht betroffen sind Kleinstunternehmen mit weniger als 10 MitarbeiterInnen und wenn die Umsetzung eine unverhältnismäßige Belastung darstellen oder das Produkt grundlegend verändern würde.

Das heißt, wir sprechen nicht nur von Websites und deren Darstellung auf diversen Endgeräten?
Nein, es geht auch um Produkte wie Geldautomaten. Da besteht bereits die Möglichkeit, Kopfhörer anzustecken, damit kann der Zahlungsverkehr für Menschen mit Sehbeeinträchtigung mittels sprachlicher Anweisung geregelt werden. Im Dienstleistungssektor geht es beispielsweise auch um Online-Terminbuchungs-Tools oder Webshops.

Was ist dabei unter „zumutbarem Aufwand“ zu verstehen?
Es ist leider häufig Praxis, dass das, was man nicht angehen möchte, als nicht zumutbar argumentiert wird. Aber natürlich gibt es auch Dinge, die wirklich nicht zumutbar sind – PDFs barrierefrei zu machen ist z. B. tatsächlich durchaus sehr aufwändig und wenn man über die Jahre viele davon auf der Website integriert hat, ist zumutbarer oder eben nicht mehr zumutbarer Aufwand schon ein Thema.

Wie sieht für Sie als Techniker eine barrierefreie Website aus?
Eine barrierefreie Website ist für mich eine Website, die ich besuchen möchte. Am Anfang stehen Sprungmarken – wenn ich mit der Tab-Taste navigiere, springt der Cursor in den gewünschten Bereich. Im besten Fall gibt es keine minikleinen Schriften, die vor dem Gesetz auch keiner lesen könnte. Im Moment gibt es einen starken Trend zu Plug-ins, also einem Barrierefrei-Button. Den muss man aber auch erst einmal finden.

Wie lange dauert es ungefähr, um eine Website nachträglich barrierefrei zu gestalten?
Besteht die Website nur aus Bildern und Texten, geht es meist einfacher. Ist aber ein Onlineshop oder ein Terminbuchungsformular integriert, wird es teilweise sehr aufwändig und das kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Da geht es dann darum zu definieren, ob man maximale Benutzbarkeit schaffen oder ein Best-Practise-Beispiel haben möchte. Jedenfalls spricht man beim Aufwand sicher von Tagen und nicht von Stunden. Hilfreich können hier sogenannte Testing-Tools sein, die über die Seite gehen und diese analysieren. Eine gute kostenlose wäre da z.B. Axe®.

Wer prüft letztlich, ob das Barrierefreiheitsgesetz auch umgesetzt wurde?
Prüfungsinstanz für alle öffentlichen Stellen ist die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), sie verfügt über IT-Sachverständige, deren Schwerpunkt Barrierefreiheit ist. Dabei geht es grundsätzlich um Beratung, nicht um Bestrafung. Wird eine Barriere festgestellt, bespricht man, wie man das Thema lösen kann.

Ist das neue Gesetz eigentlich ein rein technischer „Auftrag“?
Nein, es ist kein rein technischer Task, man wird immer das Zusammenspiel von Redaktion und Technik brauchen. Sehr spannend hinsichtlich der einfachen Sprache ist, dass man mit der KI ein bisschen Unterstützung bekommt. Ideal ist, wenn auch eine Person mit Behinderung inhouse ist, die man fragen kann, ob sie den Text versteht. Ich habe Kunden, die es so machen, das funktioniert am besten.

Gäbe es aus Ihrer Sicht Verbesserungspotenzial, das neue Gesetz betreffend?
Ich denke, man sollte nicht stehen bleiben, wo man angekommen ist. Für mich wäre das eigentliche Ziel, dass man sich von Anfang an Alternativen überlegt und nicht Sonderlösungen, die man danach integriert. Dass man gleich daran denkt, dass alles für alle gut nutzbar ist. Das würde dann auch für alle ein besseres Nutzererlebnis bedeuten.

In der IT heißt es stets am Ball zu bleiben, in welchen Bereichen bilden Sie sich denn beruflich weiter?
In den letzten Jahren habe ich mich relativ viel dem User-Experience-Bereich gewidmet, so nehme ich an der jährlichen World Usability Congress teil. Ich finde generell auch den psychologischen Background sehr spannend, denn wenn man Denk- und Wahrnehmungsmuster verstehen lernt, hilft das bei der Konzeption. Diese Bereiche bieten mir noch ordentlich Potenzial für Weiterbildung in den nächsten Jahren.

Und wie bildet sich ein IT-Spezialist in seiner Freizeit fort?
Wenn man selbständig tätig ist, vermischt sich Privates und Berufliches. Das Psychologie-Thema interessiert mich auch hier generell, außerdem der sportliche Bereich. Letztes Jahr habe ich begonnen, Tennis zu spielen, davor standen Schwimmen, Kickboxen und andere sportliche Herausforderungen auf dem Programm. Außerdem lerne ich Dinge mit meinen Kindern mit, derzeit gerade wie die Brücken von Salzburg alle heißen.

Bildung wirkt … weil sie wohl immer der einfachste Weg ist, sich persönlich weiterzuentwickeln und sich neuen Situationen anzupassen.

Nützliche Links (zur Verfügung gestellt von Werner Haring):