Bildung ist mehr als „gut leben“ und „gut verdienen“ | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Bildung ist mehr als „gut leben“ und „gut verdienen“

Mai 2025

Sabine Gollmann leitet seit Jahresbeginn das „Haus der Frauen“. Die studierte Historikerin möchte das Bildungshaus der Diözese Graz-Seckau sowie den neuen „Andersort“ als Bildungszentren für alle etablieren und dort in Zukunft auch ihren eigenen Bildungshunger öfter stillen.

Sabine Gollmann © Jürgen Brunner

Sie leiten seit Jänner dieses Jahres gemeinsam mit Ulrike Pacnik-Lueger das „Haus der Frauen“. Wie geht es Ihnen nach den ersten Monaten?
Gut! Ich mache diese Aufgabe wirklich sehr gerne, obwohl der Start aufgrund der vielen neuen Themen, mit denen ich konfrontiert bin, durchaus sehr herausfordernd ist. Aber gerade das ist ja auch das Spannende und es macht auch großen Spaß.

Welche beruflichen Wege haben Sie in diese Funktion geführt?
Eigentlich bin ich Historikerin und Kunst-Historikerin, ich habe im Styria-Buchverlag gearbeitet und bin über diesen Weg in die Marketingabteilung der Kleinen Zeitung und später ins Marketing der „Woche“ gekommen. Zuletzt habe ich beim Straßenmagazin Megaphon gearbeitet.

Wie sind Sie auf dieses Jobangebot aufmerksam geworden und was war die Motivation, sich zu bewerben?
Ich bin direkt gefragt worden. Und ehrlich gesagt, konnte ich es mir im ersten Moment gar nicht vorstellen. Was weniger mit dem Inhalt als mit dem Umstand zu tun hatte, dass ich für diesen Job pendeln muss. Ich lebe ja in Graz und das „Haus der Frauen“ ist in St. Johann bei Herberstein. Aber es war gerade auch dieser Wahnsinns-Ort, der entscheidend dafür war, dass ich diese Aufgabe angenommen habe. Alles dort hat eine besondere Energie – die Natur, das Gebäude, die MitarbeiterInnen, die BesucherInnen – das ist überwältigend.

Und was ist jetzt das besonders Reizvolle an Ihrer neuen Tätigkeit?
Auf alle Fälle die Vielfalt! Ob Erwachsenenbildung mit Schwerpunkt Frauen, ob Vermarktung des Hauses und Öffentlichkeitsarbeit, ob Zusammensein mit BesucherInnen, es ist einfach eine enorm abwechslungsreiche Tätigkeit.

Wie kam es eigentlich zum Namen „Haus der Frauen“ und ist der auch Programm?
Das ist historisch bedingt. Der Name stammt aus einer Zeit, als das Haus für sogenannte Erholungsaufenthalte für Frauen diente. Mittlerweile hat sich das längst geändert, sowohl was das Publikum als auch was die Vortragenden angeht, gibt es Frauen und Männer, wenngleich der Schwerpunkt nach wie vor auf den Frauen liegt.

Noch offener ist da unser neues Haus, das gleich daneben liegt, der so genannte „AndersOrt“. Hier liegt das Augenmerk auf Veranstaltungen, Tagungen und Seminaren. Grundsätzlich sind bei uns alle Leute willkommen – egal ob Frau, Mann, divers, ob mit oder ohne Bekenntnis und egal welcher Religionszugehörigkeit.

Welche Pläne haben Sie für das „Haus der Frauen“?
Ich werde mit meiner Kollegin das Bildungsangebot gut weiterführen und weiterentwickeln, weil wir überzeugt sind, dass unsere Gesellschaft das in Zukunft mehr denn je brauchen wird. Frauen werden weiterhin unser Schwerpunkt bleiben. Wir wollen da auch ein bisschen „back to the roots“ gehen – also in Richtung Ruhe, Natur, Entschleunigung, Einfachheit und vor allem auch Gesundheit. Aber auch als Urlaubsort soll das „Haus der Frauen“ verstärkt ein Thema werden. Der „AndersOrt“ wird, wie schon gesagt, in den nächsten Jahren als Seminarzentrum etabliert.

Welche Rolle räumen Sie dem „Haus der Frauen“ innerhalb der steirischen Bildungslandschaft ein?
Wir sind das einzige Bildungshaus der Diözese Graz-Seckau – dazu kommt das große Schwerpunktthema Frauen. Das macht uns als Bildungshaus durchaus besonders.

Was sind die größten Herausforderungen vor denen Sie und das „Haus der Frauen“ aktuell stehen?
Allen voran geht es natürlich darum, das Haus gut zu vermarkten – besonders den neuen „AndersOrt“, der ja noch nicht so bekannt ist. Was das Thema Nachhaltigkeit angeht – die wird bei uns großgeschrieben, da steckt auch eine große Chance drinnen, denn Regionalität ist bei den Gästen und BesucherInnen ein sehr großes Thema. Auch was das Kursangebot angeht, braucht es eine Weiterentwicklung. Da wollen wir, wie schon erwähnt, in Zukunft ganz besonders auf das Thema Gesundheit setzen.

Warum braucht es Einrichtungen wie das „Haus der Frauen“?
Weil Erwachsenenbildungseinrichtungen im Sinne des Lebenslangen Lernens grundsätzlich wichtig sind. Unsere Einrichtung bietet zudem die Möglichkeit, dass Frauen in bestimmten Kursen unter sich sein können. Und natürlich spielt die Spiritualität eine große Rolle. Das ist sozusagen das Tüpfchen auf dem „i“, das uns auch von anderen Häusern unterscheidet – das den Menschen aber auch zunehmend wichtig ist.

Und warum braucht es eigene Erwachsenenbildungs-Einrichtungen nur für Frauen – worin liegt der Vorteil?
Weil Frauen, wenn sie unter sich sind, einfach das sein können, was sie sind – und so sein können, wie sie sind. Das ist wichtig und das wird auch sehr geschätzt. Viele Frauen fühlen sich unter Frauen wohler, können sich leichter öffnen, sind weniger zurückhaltend. Das ist natürlich ein entscheidender Vorteil.

Sie teilen die Führungsfunktion mit Frau Ulrike Pacnik-Lueger. Was sind die Vorteile dieser doppelten Frauenpower und worin liegt ihre spezielle Stärke?
Gemeinsam kann man natürlich weitaus mehr bewegen. Wir können uns untereinander austauschen, miteinander reden – auch wenn jede von uns ihren eigenen Schwerpunkt hat. Meine Kollegin verantwortet die Bereiche Küche, Haus, Hof. Ich bin für Bildung, Finanzen und für die Vertretung nach Außen zuständig. Frau Pacnik-Lueger ist schon seit 16 Jahren im Haus; sie weiß viel, kennt viele und sie wohnt auch vor Ort – das erleichtert natürlich auch meine Arbeit.

Das Haus der Frauen ist eine Einrichtung der römisch-katholischen Kirche – wie spiegelt sich das im Angebot und bei den diversen Veranstaltungen wider?
Darin, dass Spiritualität einer unserer großen Schwerpunkte ist. Wir feiern beispielsweise Frauen-Liturgien, wir feiern den Weltgebetstag. Wir sind sehr vernetzt mit der katholischen Frauenbewegung und wir bekommen auch immer wieder einmal Besuch von unserem Bischof Wilhelm Krautwaschl. Wir können abseits dessen aber völlig eigenständig unseren Weg gehen; etwa wenn es um die Erstellung des Bildungsprogrammes geht – das liegt ausschließlich in unserer eigenen Hand.

Das „Haus der Frauen“ ist auch einer von zwei sogenannten neuen Kirchorten in der Steiermark – was ist darunter zu verstehen?
Ein offener Ort, an dem Kirche gelebt wird. Also keine klassische geweihte Kirche, sondern ein alternativer offener Raum für alle, da kann wirklich jeder hinkommen. Manche Menschen hatten vielleicht negative Erfahrungen mit der Kirche, wollen sich aber nicht völlig von ihr trennen. Über die neuen Kirchorte können sie mit dem Glauben, der Spiritualität in Kontakt bleiben und womöglich auch wieder eine gute Beziehung zur Kirche aufbauen. Die Kirchorte ermöglichen eine neue Anknüpfung.

Wie würden Sie den Stellenwert der Erwachsenenbildung generell beurteilen?
Bildung hat meines Erachtens momentan generell keinen sehr hohen Stellenwert. Das fängt schon in der Schule an, da sehe ich viel Änderungsbedarf. Viele wollen ja einfach nur die Matura schaffen – wissen aber gar nicht warum und wozu.

Und was die Erwachsenenbildung angeht, muss noch viel mehr bewusst gemacht werden, wie sehr sie die Menschen in ihrem Leben weiterbringt. Es muss ja nicht gleich jeder ein Studium nachholen – Erwachsenenbildung ist Bildung in kleinerer Dosierung, aber eben laufend. Und das ist nicht zuletzt auch deshalb so wichtig, weil dadurch die Gesellschaft wachsam und aktiv bleibt. Gerade in Zeiten wie diesen, muss sich etwa in Sachen „Demokratiebildung“ auch in der Erwachsenenbildung noch mehr tun. Das ist enorm wichtig. Auch wir wollen das im „Haus der Frauen“ aufgreifen.

Wie könnte eine Trendwende hin zu mehr Bildungs-Bewusstsein eingeläutet werden?
Ob Schule oder Erwachsenenbereich – es muss permanent vermittelt werden, wie wichtig Bildung ist. Und dass sie nichts Anstrengendes ist, sondern bereichert, weiterbringt, Spaß macht usw. Da ist unsere Bildungspolitik in der Verantwortung; aber ebenso sind es auch die Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Sie müssen dafür sorgen, dass sie wahrgenommen und als wichtig erachtet werden. Bildung wird in unserer Gesellschaft oft mit „gut leben“ und „gut verdienen“ gleichgesetzt – aber das alleine ist es bei Weitem nicht. Auch das gilt es zu vermitteln.

Wie wichtig ist für Sie persönlich Lebenslanges Lernen und welche Weiterbildungen haben Sie bereits besucht?
Sehr wichtig! Ich bin schon mit meinem Diplom-Studium auf die Bildungsschiene aufgesprungen. Und im Rahmen der Erwachsenenbildung habe ich dann alle möglichen Dinge gemacht – von Projekt-Management über einen Chinesisch-Sprachkurs bis zu Yoga.

Steht schon wieder etwas auf dem Programm?
Im „Haus der Frauen“ hat es kürzlich einen Stoffdruck-Kurs gegeben – das hat mich sehr begeistert. Da werde ich bei der nächsten Gelegenheit mitmachen. Es gibt generell viele Kurse bei uns im Haus, die mich begeistern. Momentan fehlt da noch die Zeit dafür, aber es wird sich hoffentlich bald ergeben, dass ich noch mehr davon in Anspruch nehmen kann.

Gibt es etwas, das Sie gerne können würden?
Ja, ein Instrument spielen. Mir wurde leider in der Schule eingeredet, dass ich nicht musikalisch bin – das hängt mir jetzt schon mein ganzes Leben lang nach. Cello begeistert mich – wer weiß…

Bildung wirkt … dahingehend, ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben führen zu können.

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