Bildung und die neuen Unsicherheiten. Hannes D. Galter (Vorstandsvorsitzender Bildungsnetzwerk Steiermark) zur Positionierung der Erwachsenenbildung in einem Konzert der Dissonanzen …
Am 27. April hielt der bekannte Historiker Christopher Clark in der Hofburg eine viel beachtete Rede anlässlich des Staatsakts zur Wiedererrichtung der Republik Österreich. Ungeschminkt sprach er von der unklaren politischen Lage damals, von der unsicheren Zukunft und der bewussten Verdrängung der NS-Geschichte Österreichs. Dass er dabei österreichische Geschichtsmythen vom Tisch wischte, sei nur dankbar am Rande erwähnt. Dann kam er mit einem kühnen Sprung in die 2000er Jahre mit ihrer Ernüchterung nach der Euphorie über das Ende des Kalten Krieges und die Aufhebung der Teilung Europas und mit ihren vielen Krisen, die uns bis heute beschäftigen. Sein Fazit: „Denn wir befinden uns in der Tat am Ende dessen, was wir einst Moderne nannten.“ Diese Moderne, so Clark, zerbrösle vor unseren Augen.
Erzählungen vom Ende haben immer Konjunktur. Francis Fukuyama schrieb 1992, am Höhepunkt der besagten Euphorie, vom „Ende der Geschichte“, die im Sinne Hegels ihr endgültiges eschatologisches Ziel erreicht hätte. In einem Versuch, Erwachsenenbildung in dieser Umbruchszeit zu positionieren, formulierte ich damals „Das Ende der Geographie. Bildung und die Ortlosigkeit der Kulturen“.
Nun also – das Ende der Moderne! Die Rückkehr globaler Multipolarität, eine rein interessensgeleitete Politik, schwindende Solidarität, der Klimawandel, Migration, Kriege, Wirtschaftskrisen, Wissenschaftsskepsis, Verschwörungstheorien – das und vieles mehr charakterisiert unsere Zeit und lässt die Menschen mit Gefühlen des Verlusts und der Unsicherheit zurück. Die gewohnte Normalität gilt nicht mehr, täglich müssen Entscheidungen getroffen werden, denen man sich nicht gewachsen fühlt, die durch ihre moralische Aufladung psychologischen Druck erzeugen. „Verlorenheit“ nennt Manfred Prisching diesen Zustand in seinem jüngsten Buch. Und diese Verlorenheit steigert sich noch mit dem beschleunigten Wandel der Kommunikationssysteme. Für EB-Einrichtungen kommen noch unklare politische Zielvorgaben und budgetäre Engpässe hinzu. Wie soll und kann sich Erwachsenenbildung in diesem Konzert der Dissonanzen erfolgreich positionieren?
Manfred Prisching schlägt – ganz allgemein und wenig überraschend – Gelassenheit, Realismus und „Fragilitätskompetenz“ vor. Für die Erwachsenbildung meine ich, dass wir uns an zwei ihrer grundlegenden Qualitäten erinnern sollten: Vertrauen und Verlässlichkeit. Erfolg basiert auf dem Vertrauen, dass unsere Arbeit als Bildungseinrichtungen von Qualität, Empathie und Professionalität getragen ist. Dieses Vertrauen gilt es bei all unseren Partnern – Kundinnen und Kunden, Wirtschaftspartnern und Politik – zu bewahren und zu vertiefen. Und das lässt sich nur dadurch erreichen, dass eine verlässliche Bejahung genau dieser Basiskriterien – Qualität, Empathie, Professionalität – innerhalb unserer Einrichtungen und darüber hinaus auch im Zusammenspiel der steirischen Erwachsenenbildung vorhanden ist. Diese Verlässlichkeit muss stark genug sein, finanziellen Engpässen, bürokratischem Gegenwind, gesellschaftlichen Fliehkräften und alternativen Wahrheitsansprüchen standzuhalten.
Mit der Steirischen Erklärung haben wir eine klare Wegbeschreibung geschaffen, an der wir uns orientieren können, und an der wir auch unsere Arbeit messen können. Wenn wir es schaffen, dass Erwachsenenbildung von allen als ein bewährtes Mittel angesehen wird, in den Unsicherheiten und Unabwägbarkeiten der Gegenwart berufliche und persönliche Sicherheit zu gewähren, dann haben wir das notwendige Vertrauen gewonnen.
Seitens des Bildungsnetzwerks wollen wir uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die „Steirische Erklärung“ das weitere Miteinander von Bildungsverantwortlichen und Bildungssuchenden bestimmen kann. Dazu brauchen wir aber auch Eure Hilfe.
Hannes D. Galter