Als Leiterin der steirischen Gleichbehandlungsanwaltschaft ist Susanne Prisching mit ihrem Team Anlaufstelle für all jene Menschen der Steiermark, die in der Arbeitswelt oder anderen Bereichen ihres Lebens von Diskriminierung betroffen sind. Die Juristin kam zu dieser, ihrer Herzensaufgabe, auf Umwegen, die ihren Bildungshorizont ständig erweitert haben, eigentlich durch Zufall.
Seit wann gibt es die Gleichbehandlungsanwaltschaft?Das Gleichbehandlungsgesetz besteht in Österreich bereits seit 1979. Anfangs ging es um ein einziges Gebot, nämlich das gleiche Recht für Frauen und Männer am Arbeitsplatz. Thema war zunächst das gleiche Gehalt für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit. Nach laufender Erweiterung des Rechtsschutzes kamen mit dem Jahr 2004 neue Diskriminierungsgründe wie ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Alter hinzu. Eine Pionierin und unsere erste Gleichbehandlungsanwältin auf Bundesebene war ab 1991 Ingrid Nikolay-Leitner, ihre Nachfolge trat vor einigen Jahren Sandra Konstatzky an. Seit dem Jahr1998 wurden sukzessive Regionalbüros in den Bundesländern eingerichtet, um einen niederschwelligen Zugang zur Beratung zu ermöglichen.
Was ist und was macht die GleichbehandlungsanwaltschaftDie Gleichbehandlungsanwaltschaft, kurz GAW [Anm. der Redaktion], ist eine Gleichbehandlungsstelle, die laut EU seit dem Jahr 2004 verpflichtend einzurichten ist. Wir in Österreich waren unserer Zeit also voraus. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist eine Ombudsstelle, die nach gesetzlich verankerten Werten agiert: Wir sind unabhängig, weisungsfrei und arbeiten selbständig. Wir behandeln alle Informationen vertraulich und orientieren uns an den individuellen Anliegen, die so vielfältig sind wie die Menschen selbst. Als Anlaufstelle sind wir sehr wichtig, wir hören den Menschen zu und bieten Möglichkeiten zum Umgang mit diskriminierenden Situationen. Was mir immer wieder auffällt und was ich sehr schön finde, ist der Wunsch unserer Klientinnen und Klienten, zu handeln, damit anderen nicht dasselbe passiert. Wir haben unter anderem aber auch den Auftrag Studien zu verfassen wie die Wohnungsstudie, die auf unserer Website zu finden ist.
Warum ist Regionalität bei einer Institution wie der Gleichbehandlungsanwaltschaft so wichtig?Wenn jemand nach Wien zur Beratung reisen muss, kann das eine Hürde bedeuten. Unsere jetzige Leiterin Sandra Konstatzky forciert die Bereiche Social Media und andere, die unsere Sichtbarkeit erhöhen und den niederschwelligen Zugang breiter sichtbar machen. Eine Möglichkeit, um mit uns einfach und anonym in Kontakt zu treten, sind Kontaktformulare. Wir haben eines auf unserer Website, natürlich kann man auch mailen oder anrufen. Bei Bedarf und wenn das Vertrauen gegeben ist, werden dann Beratungsgespräche vereinbart.
Wie sieht Ihr persönlicher Bildungsweg aus?Ich habe in Graz Jus studiert und meine Mutter während des Studiums in der Trafik unterstützt. So habe ich gelernt, sehr eigenverantwortlich und diszipliniert zu arbeiten. Mein erster Job führte mich ins Bundessozialamt nach Wien, das heutige Sozialministeriumsservice. Mein jetziger Mann blieb in Graz und ich wusste, dass ich meinen Aufgabenbereich erweitern musste, wenn ich auch beruflich in meiner Heimatstadt Fuß fassen wollte.
Haben Sie sich für Ihre Aufgaben in Wien ausreichend gerüstet gefühlt?Nein, deshalb habe ich wie eine Wahnsinnige gelernt! [lacht] Ich war zunächst juristisch tätig und habe im Zuge meiner neuen Tätigkeit in der Organisationsentwicklung die Möglichkeit erhalten, die Ausbildung „ControllerInnen für die Verwaltung“ zu absolvieren. Zudem durfte ich an der Verwaltungsakademie auch viele Kurse zum Thema Persönlichkeitsentwicklung machen. Meine beiden Chefs waren gleichzeitig meine Mentoren, der inzwischen pensionierte Amtsleiter Günther Schuster als Visionär und der jetzige Leiter des Sozialministeriumsservice Harald Gruber als Pragmatiker. Von dieser intensiven Zeit profitiere ich noch heute.
Ihr Weg führte dann doch zurück in Ihre Heimatstadt?Im Jahr 2000 hatte ich die Möglichkeit, in das Sozialministeriumsservice in Graz zu wechseln. Allerdings handelte es sich dabei um einen Halbtagsjob, aber zeitgleich suchte die GAW gerade eine Juristin.
Also sind Sie durch Zufall bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft gelandet?Ja, ich habe mich in das Thema eingearbeitet, überall gut Fuß gefasst und mache diese Arbeit leidenschaftlich gerne. Ich bin also mit jeder Faser meines Körpers Gleichbehandlungsanwältin.
Welche Themenbereiche sind aktuell vorrangig?Ein Thema, das uns ständig beschäftigt, ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Im Moment wird der Griff an das Gesäß scheinbar wieder salonfähig, dabei handelt es sich aber sogar um einen Strafbestand! Oft geht es darum, dass nach der Karenz kein gleichwertiger Arbeitsplatz verfügbar oder eine Führungsposition wegen einer Teilzeitbeschäftigung angeblich nicht möglich ist. Auch Diskriminierung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses ist leider ein Dauerbrenner. Diskriminierungen wegen des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit sind sehr häufig, unter anderem auch Benachteiligungen aufgrund einer Schwangerschaft. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses in so einem Fall ist, auch im Rahmen eines befristeten Verhältnisses oder im Probemonat, direkte Diskriminierung. Was mir auffällt ist, dass die Menschen hellhöriger werden und nicht mehr bereit sind, alles hinzunehmen.
In Graz gibt es auch eine Antidiskriminierungsstelle …Wie erwähnt muss es laut EU in jedem Mitgliedstaat eine Stelle wie die Gleichbehandlungsanwaltschaftgeben. Die Antidiskriminierungsstelle unter der Leitung von Daniela Grabovac ist eine Initiative des Integrationsressort des Landes Steiermark und der Stadt Graz. Es ist sehr wichtig, dass es sie gibt. Als Clearingstelle berät sie Menschen, die von Diskriminierung in jeglicher Form betroffen sind, verweist im Bedarfsfall an uns weiter und fängt Probleme auf, bei denen wir nichts machen können, weil sie nicht im Gleichbehandlungsgesetz erfasst sind.
Haben Sie, als sie wieder in Graz waren, weitere Ausbildungen absolviert?Ein Herzenswunsch von mir war die Ausbildung zur Coach, die ich am WIFI absolviert habe. Ich möchte aber noch weitere Ausbildungen in diesem Bereich machen, um zusätzliche Methoden zu erlernen. Persönlichkeitsentwicklung ist für mich ebenfalls ein Lebensthema.
Was bedeutet Lebenslanges Lernen Ihrer Meinung nach für die Gesellschaft?Es ist total wichtig für das Zusammenleben in der Gemeinschaft. Dadurch ist es erst möglich, Horizonte und Perspektiven immer wieder zu erweitern, die Fähigkeit zur Reflexion wird erlernt, dass man offenbleibt und Rückmeldungen von anderen annehmen kann. Je mehr wir wissen, je mehr Fähigkeiten wir besitzen, umso mehr Kreativität steht uns auch in herausfordernden Situationen zur Verfügung.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft verleiht die Wanderausstellung „Wege zur Gleichbehandlung“. Worum geht es da?„Wege zur Gleichbehandlung“ informiert anhand einer Serie von Comic-Strips über das Gleichbehandlungsgesetz und die damit verbundenen rechtlichen Möglichkeiten. Die 23 Roll-Ups können kostenfrei entlehnt werde, wir bieten aber auch kostenfreie Informationsbroschüren an. Mit dieser Ausstellung erreichen wir auch die Regionen und das ist mir ein besonderes Anliegen. Nach Bruck an der Mur wird sie nun an der FH Joanneum und danach u. a. an der Montanuniversität Leoben zu sehen sein. Ich freue mich auch sehr, dass wir im Rahmen des Tages der Weiterbildung des Bildungsnetzwerk Steiermark am 18. September eine Ausstellung im Bildungshaus Schloss St. Martin planen. Gerade mit St. Martin verbinde ich schöne Erinnerungen, denn zu Studienzeiten habe ich dort gemeinsam mit meiner Mama an einem Nähkurs teilgenommen. Das war meine erste private Weiterbildung.
Als Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft Kärnten stehen Sie bald nicht mehr zur Verfügung?Mit Ende Februar 2025 werde ich dort – mit schönen Erinnerungen aber zur richtigen Zeit – meine Leitungsfunktion niederlegen und mich voll und ganz der Steiermark widmen. Ich freue mich darüber, dass ich zunehmend wieder ganz in Graz bin.
Ein Blick in die Zukunft: Was wünschen Sie sich von Gesellschaft, Politik und Bildungseinrichtungen?Dass die Bemühungen und Maßnahmen in Richtung inklusive Gesellschaft fortgesetzt werden können, dass wir auf den bisherigen Errungenschaften aufbauen können und zunehmend in eine Zukunft gehen, in der die Menschen unabhängig von persönlichen Merkmalen die gleichen Chancen haben.
Und was wünschen Sie sich für Ihre persönliche Zukunft?Beruflich wünsche ich mir, dass auch die Gleichbehandlungsanwaltschaft die Möglichkeit hat, Klagerechte zu bekommen, dass die neuen EU-Richtlinien, unter anderem die Lohntransparenzrichtlinie, umgesetzt werden – Stichwort „Gender-Pay-Gap“ –, dass das Regionalbüro in Kärnten sich weiterhin so gut entwickelt und dass ich unser Büro in Graz gemeinsam mit meinen Kolleginnen so gut aufstelle, dass ich in ein paar Jahren beruhigt in Pension gehen kann. Außerdem wünsche ich mir, dass ich genug Zeit für Weiterbildungen habe und Berufs- und Privatleben gut ausbalanciere.
Bildung wirkt … inspirierend: sie bringt Hoffnung, Freude, Stolz und ermöglicht neue Sichtweisen.
Wenn Sie Interesse an diesem Thema und der Gleichbehandlungsanwaltschaft Graz haben, bietet sich am 18. Septzember 2025 beim „Tag der Weiterbildung“ des Bildungsnetzwerk Steiermark die Möglichkeit, mehr über Gleichberechtigung und Menschenrechte zu erfahren und mit Susanne Prisching vor Ort ins Gespräch zu kommen.
Im Weiterbildungsnavi Steiermark finden Sie tausende Bildungsangebote zu unterschiedlichen Themen. Es ist bestimmt auch etwas für Sie dabei! Hier erhalten Sie auch Informationen zu den Angeboten des WIFI und Bildungshaus Schloss St. Martin. Wer sich für Coaching– oder Nähkurse interessiert, wird auf dem Weiterbildungsnavi ebenso fündig.
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