Büchereien haben für mich eine magische Anziehungskraft
Sandra Buchgraber ist eine lebenslange Lernerin. Sie hat die Matura nach ihrer kaufmännischen Lehre im zweiten Bildungsweg gemacht, danach zwei Studien abgeschlossen und vor zwei Jahren ihren absoluten Traumberuf gefunden: Sie ist Leiterin der Stadtbibliothek in Weiz. Bibliotheken sieht sie als wichtige Bildungs- und Begegnungsorte für die Gesellschaft. Und was das Lesen angeht, wünscht Sandra Buchgraber jedem Menschen, dass er die Faszination daran für sich entdecken kann.
Eine Bibliothek als Arbeitsplatz – wie fühlt sich das an?
Faszinierend und großartig!
Welche Stationen haben Sie zu Ihrem Beruf als Bibliothekarin geführt?
Eingeschlagen habe ich die Richtung bereits mit dem Studium. Ich habe in Graz Pädagogik mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung und BWL studiert. Ich war auch freiberuflich als Bildungsreferentin im Bildungshaus Mariatrost tätig. Bei der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft, wo ich in der Koordinationsstelle für Palliativbetreuung beschäftigt war, habe ich unter anderem die Aus- und Weiterbildungen organisiert. Und ich war vor meinem jetzigen Job bereits ehrenamtlich in einer Bibliothek tätig.
Was war die Motivation, die Leitung einer Bibliothek zu übernehmen?
Ich bin vor sieben Jahren in meinen Heimatort nach Anger zurückgekehrt und habe dort, wie gesagt, ehrenamtlich in der Bücherei zu arbeiten begonnen – weil Büchereien auf mich einfach eine magische Anziehungskraft ausüben. Deshalb habe ich mir auch immer öfter gedacht: Es wäre super, wenn ich diesen Job hauptberuflich machen könnte. Als dann die Leiterin der Stadtbibliothek Weiz in Pension gegangen ist und der Job ausgeschrieben wurde, habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt und mich beworben. Ich habe sofort gespürt: Das ist jetzt mein Traumberuf.
Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?
Alles! Die Verbindung von Büchern und Bildung ist einfach perfekt. Bibliotheken sind für mich ganz spezielle und einzigartige Bildungsorte – nicht zuletzt auch, was die Atmosphäre angeht. Das fasziniert mich einfach. Ebenso wie die Arbeit mit Menschen. Ich bin da auch im Tagesgeschäft tätig, wenn zu den Ausleihzeiten reger Betrieb herrscht und Beratungen gefragt sind. Bibliothekarinnen und Bibliothekare sind Wissensvermittler. Sie beraten bei der Auswahl von Büchern, sprechen Empfehlungen aus, helfen bei Recherchen, wenn es etwa darum geht, online in diversen Datenbanken zu „stöbern“. Die Arbeit in einer Bibliothek ist unglaublich vielseitig und sehr arbeitsintensiv und die Arbeit, die dahintersteckt, von außen oft gar nicht so gesehen. Sie reicht von der Bestandsarbeit, dem Medieneinkauf und der dazugehörigen Bearbeitung, dem Controlling bis zur Planung und Organisation von Veranstaltungen, wobei auch die Öffentlichkeitsarbeit zur Gänze von uns selbst abgedeckt wird. Es werden Plakate und Flyer erstellt, Presseaussendungen versendet und Artikel für die Stadtzeitung verfasst. Die Kreativität kann hier und vor allem auch bei Veranstaltungen für Kinder stark ausgelebt werden. Es gibt sogar eine eigene Instagram-Seite, dafür machen wir selbst Fotos und Videos. Und ich kann auch mein Know-how aus meiner kaufmännischen Ausbildung und meinem BWL-Studium einbringen – die Funktion der Leiterin ist ja natürlich mit sehr viel Verwaltung, Organisation, Personalführung usw. verbunden. Das ist eine sehr reizvolle Kombination.
Was abseits der Bücherwelt macht eine Bibliothek zum Bildungsort?
Ganz Vieles! Wir haben hier in der Stadtbücherei beispielsweise viele Veranstaltungen wie Autorenlesungen, unsere monatliche Lesekuschelzeit für Kleinkinder und Eltern, Vorlesen mit Kamishibai und Bilderbuchkino, ein umfassendes Sommerferienprogramm und Aktionstage wie den Steirischen Vorlesetag. Voriges Jahr hatten wir zum Beispiel ein Pop-up Planetarium in der Stadtbücherei und heuer werden wir einen MINT-Workshop in Zusammenarbeit mit dem Lesezentrum Steiermark anbieten. Wir arbeiten auch mit Schulen, Kindergärten, dem Jugendhaus und mit örtlichen Institutionen zusammen. Unsere Lesungen werden beispielsweise meistens von SchülerInnen oder LehrerInnen der Musikschule begleitet. Was den Menschen oft gar nicht bekannt ist und sie staunen lässt: Bei uns gibt es natürlich auch eine Vielzahl an Zeitungen, Magazinen aber auch Hörbücher, Tonies und Streamingangebote wie das Filmportal Filmfriend. Wir haben 23.000 Medien auf Lager. Und es gibt auch einen Bilderverleih, also eine Artothek. Wir können hier in der Bibliothek Bildung für jeden zugänglich machen und ganz niederschwellig transportieren.
Also auch ein Ort des Zusammenkommens?
Auf alle Fälle! Büchereien sind Treffpunkte, Begegnungsorte, konsumfreie Orte, wo man im Idealfall stundenlang sitzen, lesen, nachdenken, sich austauschen kann. Und wo unterschiedliche Bildungsangebote zur Verfügung stehen – von Lesungen bis zum Bibliotheksführerschein. In der Stadtbücherei Weiz gibt es bei den Verweilzonen jedoch noch Aufholbedarf; da sind wir gerade dabei zu schauen, wie wir das am besten umsetzen können.
Wird bei Bibliotheken auch noch an verstaubte, antiquierte Räume gedacht?
Ich denke nur mehr vereinzelt. Aber freilich sind wir allgemein noch nicht in jenen Dimensionen unterwegs, wie es etwa in Ländern wie Dänemark der Fall ist, wo Bibliotheken gigantische Dimensionen haben – sie sind lebendige Begegnungsorte. Dort hat man das Potenzial der Bibliotheken, attraktive Bildungs- und Begegnungsorte zu sein, schon vor langer Zeit erkannt. So werden zum Beispiel in Deutschland Bibliotheken auch immer mehr zur gezielten Belebung der Innenstädte eingesetzt.
Gibt es den klassischen Bibliotheksbesucher, die klassische Bibliotheksbesucherin?
Nein, das gibt es definitiv nicht! Von Kindern bis zu hochbetagten Menschen kommen alle Altersgruppen zu uns. Manche auch „nur“, um einfach von zuhause wegzukommen und in Gesellschaft zu sein. Ein Bibliotheksbesuch kann tatsächlich ein Mittel gegen die Einsamkeit sein. Auch wenn wir eine bunte Mischung an Besuchern haben, zeigen sich schon gewisse Trends: Es kommen viele Großeltern oder Eltern, die ihren Kindern vorlesen. Und leider bemerken wir auch, dass Jugendliche etwas weniger vertreten sind.
Liegen Bibliotheken im Trend?
Vor allem seit der so genannten Teuerung lässt sich ein gesteigerter Zulauf erkennen. Die Leute verzichten darauf, ein Buch zu kaufen und borgen es stattdessen lieber aus. Und statt eines Kaffeehaus-Besuches gehen sie in die Bibliothek und lesen – wenn möglich – vor Ort. Das ist schon eine erkennbare Entwicklung.
Im Bibliothekenbereich gibt es einen sehr hohen Anteil an Ehrenamtlichen. Warum?
Es sind sogar mehrheitlich Ehrenamtliche im Einsatz – an die 90 Prozent. Allerdings vorwiegend in Bezirksstädten und kleineren Orten. Das geht wohl noch auf eine gewisse Hof-Tradition zurück, wo das Entstehen von Bibliotheken auf das Engagement von Ehrenamtlichen zurückzuführen war. In den Landesstädten zeigt sich hingegen ein wesentlich größerer Anteil an Hauptamtlichen. Wir in Weiz haben beispielsweise vier hauptamtliche und acht ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, wobei diese jeweils nur ein paar Stunden im Monat ehrenamtlich arbeiten.
Wobei wir beim nächsten Thema wären: Ehrenamt heißt weitgehend auch gleich weiblich. Der Trend geht ja sehr stark in die Richtung, dass öffentliche Bibliotheken nicht nur reine Medienverleihstellen sein sollen, sondern verstärkt auch Treffpunkte für Generationen, Begegnungs- und Bildungsorte sowie konsumfreie Orte zum Verweilen. Bibliotheken haben dieses Potenzial und es ist auch sehr sinnvoll, sie so zu nützen. Deshalb wäre es wünschenswert, dass die Sichtbarkeit der vorwiegend weiblichen unbezahlten Arbeit in diesem Bereich erhöht wird und verstärkt finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um den Bibliotheken gerade in kleineren Städten und Ortschaften auch die entsprechende Bedeutung zu geben. Und um das Potenzial, das öffentlichen Bibliotheken zweifelsohne innewohnt, verwirklichen zu können. Da, so finde ich, bedarf es noch viel an Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit.
Ist das Lesen „in“?
Ja – hier der in Stadtbibliothek in Weiz ganz bestimmt. Da ist der Zulauf auf jeden Fall mehr geworden.
Was bedeutet lesen für Sie persönlich?
Abtauchen in eine andere Welt. Das Erleben von anderen Leben und anderen Welten in denen man sich die Bilder selber ausmalen kann.
Wie viele Stunden pro Woche verbringen Sie mit Lesen?
Ich lese täglich – mindestens sechs Stunden in der Woche. Dabei habe ich immer mehrere Bücher parallel in „Arbeit“.
Was ist Ihr persönliches Lieblingsbuch?
Da gibt es mehrere Lieblingsbücher. Aktuell etwa „Echtzeitalter“ von Tonio Sachinger oder auch „Nincshof“ von Johanna Seebauer.
Am 21. März ist jährlich der so genannte Vorlesetag. Wie wichtig ist ein solcher Tag?
Ich halte es für extrem wichtig, dass es solche Tage gibt. Sie helfen enorm, das Bewusstsein dahingehend zu stärken, dass lesen nun einmal etwas Wichtiges ist. Vorlesen wirkt außerdem sehr motivierend. Oft entdecken Kinder, die nicht gerne lesen, über das Vorlesen die Faszination am selber Lesen.
Was würden Sie der Erwachsenenwelt in Sachen Leselust wünschen?
Dass jeder das Lesen für sich entdecken kann – und die damit verbundene Faszination. Denn Lesen ist einfach etwas sehr, sehr Schönes.
Wie wichtig ist Ihnen Weiterbildung generell?
Ich bin eine lebenslange Lernerin. Ich habe nach meiner kaufmännischen Lehre die Matura auf dem zweiten Bildungsweg gemacht und mit 25 Jahren zu studieren begonnen. Ich bilde mich kontinuierlich weiter, vergangenen April habe ich beispielsweise die Ausbildung zur ehrenamtlichen und nebenberuflichen Bibliothekarin abgeschlossen und fange heuer die Hauptamtlichen-Ausbildung an. Beim Lesezentrum Steiermark und beim Büchereiverband Österreich besuche ich laufend Fortbildungen wie letzten Herbst das „Atelier der Vorstellungskraft“ – wo es um Zukunftskonzepte für Bibliotheken ging – oder auch Online-Fortbildungen zu unterschiedlichen Bibliotheksthemen. Auch für unser Bibliotheksprogramm gibt es immer wieder Fortbildungen.
Welchen Status räumen Sie der Erwachsenenbildung in unserer Gesellschaft generell ein?
Sie hat sehr viel dazu beigetragen, den Menschen bewusst zu machen, dass man nicht mehr dreißig Jahre in einem Job bleiben kann. Dass es also notwendig ist, sich weiterzubilden, um sich weiterentwickeln zu können. Auch im Privaten und in seiner Persönlichkeit. Es braucht ein ständiges Dazu- und Umlernen. Das wird zum Glück immer bewusster – nicht zuletzt dank der Arbeit der Erwachsenenbildung.
Bildung wirkt … befreiend!
Weiterführende Informationen
Im Weiterbildungsnavi Steiermark finden Sie tausende Bildungsangebote zu unterschiedlichen Themen. Nähere Informationen zu den Veranstaltungen in den Öffentlichen Bibliotheken Steiermark sind hier abrufbar. Es ist bestimmt auch etwas für Sie dabei!