Wer sich nicht bildet, denkt nur mehr ans Essen
Für Carmen Kuchling war Bildung stets ein Thema: Mit ihren 84 Jahren ist sie neugierig geblieben und findet immer wieder neue Wege und Zugänge, um geistig fit und wohlinformiert zu bleiben. Das im Mai 2024 eröffnete Erzherzog Johann Museum in Stainz bildet für sie ein besonderes Highlight, da sie seit ihrer frühesten Kindheit mit der Marktgemeinde Stainz eng verbunden ist.
Sie besichtigen gerade das Erzherzog Johann Museum. Was hat Sie hergeführt?
Dieses Museum interessiert mich, weil ich in Stainz in die Volksschule gegangen bin. Geboren wurde ich aber in Berlin. Als wir im Krieg ausgebombt wurden, brachte mich meine Mutter zur Großmutter nach Stainz. Hier habe ich meine frühe Kindheit verbracht und ich bin noch immer oft und gerne hier. Auch meine beste Freundin aus der Schulzeit treffe ich in Stainz. Ich erinnere mich gut, dass wir in der Volksschule bereits viel über Erzherzog Johann gehört haben: Er war der erste Bürgermeister von Stainz, das war 1850 und für ein Mitglied des Kaiserhauses etwas ganz Besonderes. Erzherzog Johann hat sich auch sehr um die Bildung der Bevölkerung gekümmert und z.B. im Weinbau und der Landwirtschaft fortschrittliche Maßnahmen gesetzt.
Erinnern Sie sich an persönliche Begegnungen mit seinen Nachfahren?
Der Sohn Erzherzog Johanns und seiner Frau, der Postmeisterstochter Anna Plochl, wurde zum Grafen Meran ernannt. Seine Nachfahren wohnen nach wie vor im Stainzer Schloss. Erzherzog Johann hat das Gebäude erworben, ursprünglich war es ein Augustiner Chorherrnstift, wie man im Durchgang zur Schlosskirche nachlesen kann. Das jetzige Oberhaupt der Familie ist Franz Meran, ich kann mich auch noch an seine Eltern erinnern. Seine Mutter stammte aus dem Ort, nach ihrer Hochzeit hat man sie allerdings kaum mehr dort gesehen.
Gehen Sie gerne ins Museum? Wie gefällt Ihnen das neue Museum?
Museen sind für mich klassische Lernorte. Unsere ganze Familie war immer sehr gerne in Ausstellungen, natürlich auch wenn wir auf Urlaub waren. Wenn ich nachdenke, was wir da alles gesehen und gelernt haben! Stundenlang standen wir vor den Ausstellungsstücken und haben geschaut. Am Erzherzog Johann Museum finde ich besonders interessant, dass sein Leben nachgezeichnet wird, sowohl privat als auch politisch. Und dass dabei seine enge Beziehung zu Stainz so gut sichtbar wird. Er hat viel bewegt, und viel zum Fortschritt beigetragen – nicht nur in der Steiermark.
Wie hat eigentlich ihr persönlicher Bildungsweg ausgesehen?
Ich habe drei Lehrjahre als Schneiderin absolviert, war dann bis zu meinem 17. Lebensjahr Gesellin und habe danach die Meisterschule für Mode an der Grazer Ortweinschule besucht. Mit 21 Jahren war ich Meisterin. Als Halbwaise durfte ich gleich ein Damenmaßatelier aufmachen und bald als Ausbildnerin mein Wissen weitergeben. Zwei Lehrmädchen haben bei mir ausgelernt, bevor ich nach der Geburt meiner beiden Töchter Hausfrau und Mutter geworden bin. Dass hier im Museum das „Steirerfrackl“ ausgestellt ist, das originalgetreu anhand von historischen Schnittmustern gefertigt wurde, finde ich natürlich besonders interessant.
Hätten Sie sich als junge Mutter einen Kurs in Elternbildung gewünscht?
Ja, das wäre hilfreich gewesen. Es war nicht so leicht, Dinge in Erfahrung zu bringen und meine Mutter hat mir nicht viel gesagt. Ihr Motto lautete: Jetzt bist du Mutter und weißt, was du zu tun hast. Der mütterliche Instinkt kann aber nicht alles ersetzen.
Haben Sie zu dieser Zeit andere Erwachsenenfortbildungen besucht?
Ich hatte leider vor allem in jungen Jahren – ich war ja ein Kriegskind – weder das Geld noch die Zeit für alles, was ich gerne gemacht hätte. Aber Freundinnen taten das und ich hatte z.B. eine Bekannte, die von der Gegend um Gleisdorf zwei Mal die Woche nach Graz kam. Hier nahm sie an der VHS an einem Fitnesskurs teil und lernte Englisch.
Trotzdem haben auch Sie nie aufgehört sich weiterzubilden?
Zunächst vor allem auf Reisen. Ich war im Laufe der Jahre viel unterwegs – von Kanada bis Jamaica – und habe mir dort mit geführten Touren Land und Leute angesehen. Gerne erinnere ich mich an eine Glasbodenbootstour in der Karibik, an den Besuch der Samaria-Schlucht auf Kreta oder die Besichtigung der Star Wars-Kulisse in Chott el Jerid (Tunesien). Dort bin ich auch das erste und einzige Mal auf einem Kamel geritten. Natürlich habe ich Österreich ausgiebig bereist, bei einer Rundfahrt mit der Familie, als die Kinder noch klein waren, und später dann gezielt. Jedes Jahr freue ich mich auf unseren Kurzurlaub im Troadkasten einer befreundeten Familie. Dort ist es idyllisch und noch dazu angenehm kühl.
Was hat sie dazu motiviert, Bildungsreisen zu unternehmen?
Die Menschen, ihre Kultur, die Flora und Fauna aber auch die Speisen anderer Länder interessieren mich sehr. Dadurch, dass man etwas sieht, aber auch riecht, schmeckt, an- bzw. begreift, lernt man viel. Ab einem bestimmten Alter geht es dann aber nicht mehr so gut. Auch der Overtourism ist für mich ein Thema. Jedenfalls bin ich froh über alles, was ich hautnah erleben durfte.
Wie bilden Sie sich derzeit weiter?
Ich höre Radio, lese die Zeitung, diskutiere mit der Familie. Und viel Bildung kommt über das Fernsehen ins Haus. Besonders gerne sehe ich mir Dokumentationen an – und Kochserien. Jamie Oliver kocht so gute Sachen: alles in einem Topf, es geht schnell von der Hand, er verwendet viele Zutaten und man kann das Ergebnis auch essen [lacht].
Könnten Sie sich ein Leben ohne Weiterbildung vorstellen?
Nein, man würde abstumpfen, nirgends mehr hingehen, nichts mehr machen, geistig abbauen. Und nur noch ans Essen denken. Wichtig ist mir der stetige Kontakt zur Jugend, denn Weiterbildung hält jung, auch wenn nur ich das an mir merke [schmunzelt]. Wenn man aber immer etwas zu denken hat und immer wieder Termine, dann bleibt man einfach in Bewegung: geistig und körperlich.
Wie sieht es mit der Jugend heutzutage aus: ist lebensbegleitendes Lernen für sie ein Thema?
Die, die ich kenne, sind alle bildungshungrig. Sie studieren oder haben studiert und bilden sich weiter.
Was hat Ihnen lebensbegleitendes Lernen persönlich gebracht?
Sehr viel, denn ich habe einen guten Beruf gehabt, konnte mich weiterbilden, meinen Kindern viel beibringen. Mein Mann ist sowieso sehr klug. Dadurch, dass wir so gut wie alles selbst gemacht haben – damit meine ich z.B. Gewand oder Reparaturen – konnten wir Geld sparen und es in die Ausbildung unserer Kinder stecken. So konnten wir ihnen zugleich ein schönes Zuhause, in dem immer jemand da war, und einen guten Start ins Leben bieten.
Bildung wirkt … denn sie hält geistig fit und man bleibt im Gespräch.
Weiterführende Informationen
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