Museen werden gesellschaftspolitisch immer wichtiger
Für Margit Horvath-Suntinger, die neue Leiterin von MUSIS – Der Steirische Museumsverband, liegt die Zukunft der Museen in der Entwicklung hin zu Begegnungszentren mit Anknüpfungspunkten zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen. In diesem Zusammenhang sieht sie auch die wachsende Bedeutung von Museen als lebendige, zeitgemäße Bildungsorte. Ihre eigene Lust am lebenslangen Lernen verdankt die Volkskundlerin übrigens ihrem Volksschullehrer.
Sie sind seit Juni Geschäftsführerin des Steirischen Museumsverbandes. Wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen?
Das hat sich eigentlich fast selbstverständlich ergeben, nachdem ich schon seit 20 Jahren beim Museumsverband beschäftigt bin – und neben der Geschäftsführerin die zweite Fachfrau war.
Welche Ausbildungen und beruflichen Stationen haben Sie zur MUSIS-Geschäftsführerin geführt?
Ich habe nach der Matura Volkskunde studiert und dann in verschiedenen Museen und bald schon beim Museumsverband zu arbeiten begonnen. In den vergangenen 20 Jahren habe ich verschiedenste Positionen innegehabt; zuletzt war ich Projektleiterin unseres gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes. Wir bringen in diesem Gemeinschaftsprojekt mit dem AMS, dem Land Steiermark und der StAF Langzeitarbeitslose mit Institutionen aus den Bereichen Kultur, Museen, Wissenschaft und Bildung zusammen.
Was war für Sie letztlich die Motivation, die Geschäftsführung zu übernehmen?
Die Museumsberatung war jetzt zehn Jahre lang nicht mein Schwerpunkt; das hat mir trotz der schönen Aufgabe im Beschäftigungsprojekt aber doch gefehlt. Ich wollte also wieder hauptsächlich in meinem Fachbereich tätig sein. Und bin jetzt auch sehr froh darüber, wieder mit Museen und mit Menschen in Museen zu arbeiten. Außerdem: Es war jetzt auch gerade ein gutes Alter dafür – ich bin 49 – um wieder etwas Neues zu beginnen.
Was ist für Sie das besonders Reizvolle an der neuen Position?
Dass einfach jeder Arbeitstag anders ist. Meine Arbeit ist so vielfältig wie die Museen, die wir haben – da gibt es keine Monotonie. Außerdem finde ich es schön, Menschen unterstützen und helfen zu können – jemandem etwas zu geben, das diese Person dann wieder weitergeben kann. Konkret geht es um die Beratung von Museen, die Unterstützung bei der Qualitätsentwicklung: Viele arbeiten da schon ganz toll, andere brauchen vielleicht einen kleinen Schubs; den möchte ich geben.
Was sind Ihre Ziele als MUSIS-Leiterin?
Ein großes Anliegen ist mir die Qualitätsentwicklung. Wir haben in der Steiermark rund 330 öffentlich zugängliche Museen und Privatsammlungen, 45 davon tragen das Österreichische Museumsgütesiegel. Da möchte ich daran arbeiten, diese Zahl zu erhöhen. Und es gilt auch darauf zu schauen, dass jene Museen, die das Gütesiegel haben, es auch behalten. Außerdem vollzieht sich gerade ein Generationenwechsel, der vieles verändern wird. Diesen Generationenwechsel gut zu schaffen, ist eines meiner großen Ziele. Da gilt es, eine gute Balance zwischen Angestellten und Ehrenamtlichen, zwischen Jüngeren und Älteren zu schaffen. Wichtig ist auch darauf zu schauen, dass das umfassende Wissen jener Leute, die 70 oder 80 Jahre alt sind, nicht verlorengeht, sondern bewahrt und weitergegeben wird. Ein großes Thema ist außerdem die Nachhaltigkeit. Und: Als Vorstufe für das Gütesiegel gibt es die so genannte Museumsregistrierung. Mein Ziel ist, möglichst viele Museen dorthin zu bringen.
Im MUSIS-Leitbild wird die Vision von Museen als aktive, attraktiv-unterhaltsame, selbstbewusste, lernende Orte der Bildung und Kultur beschrieben. Wie viel ist da noch Vision, was ist bereits Wirklichkeit?
In manchen Bereichen hat sich da in den vergangenen Jahren wirklich viel getan; nicht zuletzt, weil bei uns auch sehr viel Bewusstseinsarbeit geleistet wird. Viele Museen sind inzwischen tatsächlich Bildungsorte, die Bildung lustvoll und spielerisch vermitteln – mit ganz tollen, zeitgemäßen Programmen. Ich sehe da vor allem für kleine Museen in den Regionen eine große Chance, sich zu ganz zentralen und essenziellen Bildungsorten zu entwickeln. Zu Orten, wo man einander trifft, austauscht, begegnet. Auch das ist übrigens ein Ziel von mir – diese Entwicklung zu forcieren. Vielen Gemeinden ist es nämlich gar nicht bewusst, dass sie mit ihrem Museum dieses Potenzial besitzen.
Museen als Orte der Bildung – das ist vielen Menschen nicht bewusst und mitunter auch nicht verständlich. Wir erklären Sie den Bildungsaspekt?
Ich denke da gleich an die ICOM-Museumsdefinition, die lautet: „Museen ermöglichen Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude und Wissensaustausch“. Es gibt ja in jeder Sammlung Anknüpfungspunkte zu aktuellen, gesellschaftsrelevanten Themen – diese sollen aufgegriffen und thematisiert werden. Es soll Diskurs entstehen; so werden Museen zu lebendigen Bildungsorten. Und so bekommen Museen auch eine wichtige gesellschaftspolitische Bedeutung – diese Bedeutung gilt es den Menschen, aber auch den Verantwortungsträgern, bewusst zu machen.
Was das diesbezügliche Potenzial von Museen angeht, hat eine Umfrage ergeben, dass Museen sehr großes Vertrauen bei der Bevölkerung genießen. Daher sehe ich Museen auch nicht in Gefahr, im Gegenteil, ihre gesellschaftspolitische Bedeutung nimmt zu.
Außerdem: Der Bildungsaspekt eines Museumsbesuchs muss ja vielleicht auch nicht unbedingt bewusst sein. Die Menschen gehen einfach hin und genießen und nehmen für sich mit, was sie mitnehmen wollen. Sobald die Begriffe Bildung und Lernen ins Spiel kommen schwingt ohnehin meist etwas Negatives mit, das oft mit Druck, mit Müssen und Schule assoziiert wird.
Welchen Stellenwert räumen Sie Museen hinsichtlich Erwachsenenbildung ein?
Einen sehr großen! Weil in Museen – wie gesagt – Bildung auf Freiwilligkeit basiert, ungezwungen geschieht, etwas Dialogisches ist, das Spaß macht. Ein Museum ist ein Bildungsort voller Überraschungen. Und Erwachsenenbildung hat ja viel mit Neugier, mit Wissen und kennenlernen wollen zu tun. Ein Museum ist ein guter Ort, um sich überraschen zu lassen, seine Neugier zu stillen und Neues zu entdecken.
Übrigens: Es ist sehr schön und sehr wichtig, dass der Museumsverband auch in das Bildungsnetzwerk Steiermark eingebunden ist. Netzwerke sind etwas ganz Zentrales – auch in der Erwachsenenbildung – weil man es nur gemeinsam schaffen kann.
Sind die SteirerInnen MuseumsbesucherInnen? Wie ist da die Entwicklung?
Nach einem pandemiebedingten Tief gibt es jetzt wieder eine deutliche Steigerung. Aber für uns als Museumsverband zählen im Übrigen nicht nur BesucherInnenzahlen als Qualitätsfaktor. Da geht es auch viel um Inhalte, Kooperationen, die Einbindung in das lokale Geschehen und vieles mehr.
Gibt es den klassischen Museumsbesucher, die klassische Museumsbesucherin?
Nein! Das ist keine Frage von Alter oder Geschlecht. Was sich schon zeigt ist, dass sehr viele Familien Museumsbesuche machen. Das liegt nicht zuletzt an den wirklich tollen Programmen für Kinder – die sind auch sehr gut nachgefragt. Wir haben aber natürlich als große Gruppe auch immer wieder die klassischen Reise- und Ausflugsgruppen.
Eine eher schwierige Zielgruppe stellen allerdings Jugendliche dar. Aus ihrer Sicht bieten Museen vielfach zu wenig Spaß und Action und gelten eher als Orte für ältere Menschen.
Wie könnte die Jugend gewonnen werden?
Der Wunsch der Jugend wären Angebote, wo sie mitreden, sich einbringen und mitmachen könnten – die jungen Leute wollen nicht nur konsumieren. Da sehe ich für die Zukunft auch viel Potenzial hinsichtlich Begegnungsorte für Generationen, denn man kann in Museen sehr schön generationenübergreifend arbeiten.
Wie wichtig ist Ihnen persönlich Lebenslanges Lernen?
Sehr wichtig! Da hat mich die Volksschulzeit geprägt. Dort ist wohl der Grundstein für meine Lust aufs Lernen gelegt worden – durch einen Lehrer, der viel abseits des klassischen Lehrplans und viel Praktisches für das Leben gemacht hat. Auch mein Studium war glücklicherweise von dieser Lernlust geprägt. Das hat sich bis ins Erwachsenenalter und ins Berufsleben weitergezogen. Beim MUSIS-Beschäftigungsprojekt hat es anfangs beispielsweise jeden Monat eine Fortbildungs-Veranstaltung gegeben. Da hat sich das Weiterbilden verinnerlicht; wie auch dieses starke Bild von „neue Menschen und Orte kennenlernen“, das ich auch immer mit Erwachsenenbildung verbinde.
Was haben Sie dahingehend bereits gemacht?
Vieles, wie gesagt, im Zusammenhang mit meinem Beruf. Privat waren und sind es immer wieder Veranstaltungen, wo es um die Beschäftigung mit sich selbst geht – etwa um Resilienz. Ich mag diese Fortbildungen, wo ich ganz aus dem Alltag herausgenommen werde. Das sind ganz spezielle Erfahrungen, die sich viel mehr Menschen gönnen sollten.
Was steht als nächstes auf dem Plan?
Momentan bin ich ganz bei MUSIS – und bei meiner neuen Funktion. Ich schaue dann aber schon, was ich brauche, um für mich und meinen Beruf gut aufgestellt zu sein. Aber da ist noch nichts Konkretes geplant. Was das Berufliche angeht, werde ich im November an der Jahreskonferenz der Europäischen Museumsnetzwerkes in Sibiu in Rumänien teilnehmen.
Wie schaut das Museum der Zukunft aus?
Das Museum der Zukunft ist ein lebendiges Begegnungszentrum für Einheimische und Touristen, das anhand seiner Sammlung aktuelle Themen erklärt und Anknüpfungspunkte für Diskurse zu gesellschaftspolitisch Relevantem liefert.
Wie schlägt sich die heimische Museumslandschaft im internationalen Vergleich?
Europaweit gesehen, stehen in Großbritannien und in den skandinavischen Ländern natürlich die großen Leuchttürme. In Österreich finden sich diese in Wien und Salzburg, aber die Steiermark braucht sich da mit ihren rund 330 Einrichtungen absolut nicht zu verstecken. Vor allem Graz hat seit dem Kulturhauptstadtjahr 2003 stark aufgeholt und hat durchaus internationale Strahlkraft.
Was würden Sie sich für die steirischen Museen wünschen?
Dass ihnen von ihren Trägern, vor allem wenn es sich um Kommunen handelt, noch mehr Wertschätzung und Verantwortungsbewusstsein entgegengebracht wird. Museen sind öffentliche Einrichtungen – mit einem öffentlichen Auftrag. Dafür braucht es unter anderem auch entsprechendes Personal. Auch wenn es ohne Ehrenamt niemals funktionieren wird; man kann dennoch nicht mehrheitlich auf ehrenamtliches Engagement bauen.
Welches Museum würden Sie gründen wollen?
Das Museum der schönen Dinge! Ein Haus, eine Sammlung, eine Schau – etwas, das der Seele guttut. Und etwas mit Wow-Effekt! Menschen müssen eingebunden werden; jeder soll seinen Begriff von Schönheit und Wohlbefinden beisteuern. Das soll eine Vielfalt ergeben, die berührt – wo man steht, schaut, staunt. Und immer wieder hingeht.
Bildung wirkt … in jedem Lebensalter!
Kontakt zu MUSIS – Der Steirische Museumsverband
Strauchergasse 16, 8020 Graz | https://www.musis.at/
Mag.a Margit Horvath-Suntinger
Geschäftsführerin, Fachberatung, Museumsservice, Digitales, Website, Museumsportal | +43 (0)660 3920626 | margit.horvath@musis.at