Daniela Piegler ist Leiterin des Fachbereichs Erwachsenenbildung und Jugend der Stadt Wien. Sie hat nach ihrer Lehre am zweiten Bildungsweg eine Karriere in der Stadt Wien gestartet und forciert heute unter anderem mit Leidenschaft die Vernetzung von Erwachsenenbildungseinrichtungen.
Welche beruflichen Stationen haben Sie in Ihre jetzige Funktion geführt?Ich habe 1992 als Lehrling bei der Stadt Wien begonnen und dann am zweiten Bildungsweg die HAK-Matura nachgemacht. Danach startete ich parallel zu meiner beruflichen Tätigkeit das Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften – das war weitgehend auf die Abende verlagert. Als sich dann bei der Stadt Wien in der Abteilung eine Chance für eine Leitungsfunktion aufgetan hat, habe ich diese ergriffen. Über die Stabsstelle EU-Angelegenheiten bin ich zum Lebenslangen Lernen gekommen – und in der Folge zum Fachbereich Erwachsenenbildung, wo ich dann die Leitung übernommen habe.
Welche Fähigkeiten sind Ihnen auf Ihrem Karriereweg besonders entgegengekommen?Da fällt mir gleich einmal die Fähigkeit gut organisieren zu können ein – vor allem auch sich selbst. Gerade wenn man neben dem Beruf intensive Weiterbildungen macht, ist das sehr notwendig. Ebenso wie die Selbstdisziplin und das konsequente Dranbleiben. Aber auch das Sich-Vernetzen-Können war durchaus hilfreich.
Apropos Vernetzung. Diese forcieren Sie ja in der Erwachsenenbildung besonders. Warum halten Sie das für so wichtig?Weil ich der festen Meinung bin, dass sich Erwachsenenbildungseinrichtungen gegenseitig unterstützen können und das auch sollen – und zwar ohne sich dabei in die Quere zu kommen. Wir haben zum Beispiel im Rahmen von „Level up“, wo die öffentliche Hand die Erwachsenenbildung für Bildungsangebote in der Basisbildung und zum Nachholen des Bildungsabschlusses fördert, gleich zu Beginn damit begonnen, TrägerInnen zu Vernetzungstreffen einzuladen. Und da hat sich schnell gezeigt, wie Leute sich in der Gruppe plötzlich trauen, einander Fragen zu stellen. Wie sie zu ergründen beginnen, wie die andere/der andere an eine Sache herangeht, darüber denkt, sie löst. Vor allem rund um Corona wurde besonders ersichtlich, wie hilfreich und effizient Netzwerk-Austausch sein kann. Im Netzwerk „Erwachsenenbildung Wien“ läuft das jetzt auch auf anderen, höheren Ebenen – etwa bei großen strategischen Fragen.
Das heißt generell Vernetzung statt Konkurrenzdenken?Auf jeden Fall! Ob und wie gut Vernetzung gelingt, hängt übrigens ausschließlich von den handelnden Personen ab. Wenn hier der Wille vorhanden ist und die Leute einen Draht zueinander finden, kann das für alle Beteiligten zu einem großen Mehrwert führen. Vorausgesetzt natürlich, es wird ihnen intern kein Maulkorb umgehängt.
Was sind die positivsten Auswirkungen einer solchen Vernetzungs-Arbeit?Diese sieht man auf vielen Ebenen. Wenn ich konkret an „Level up“ denke zeigt sich etwa, dass die Einrichtungen einander potenzielle TeilnehmerInnen vermitteln. Ist in einer Einrichtung ein Kurs voll oder passt der interessierten Person die Zeit, der Ort nicht, wird auf ein passendes Angebot in einer anderen Einrichtung verwiesen. Da werden ganz selbstverständlich Informationen weitergegeben – und das finde ich sehr schön.Ein anderes positives Beispiel ist die Bildungsberatung, wo KundInnen über die Institutionen hinweg informiert und beraten werden. Das bringt allen etwas – und schafft auch ein gutes Bild und eine gute Atmosphäre.
Wie homogen ist die Erwachsenenbildungslandschaft in Österreich?Das hängt von der Brille ab, durch die man sie betrachtet. Wenn man sich grundsätzliche Problematiken anschaut, sitzen wir weitgehend alle in einem Boot. Ich denke da etwa an Distanzen – muss ich lange Wegstrecken in Kauf nehmen, ist das oft ein Hindernis, sich für ein Angebot zu entscheiden. Das ist in ländlichen Regionen nicht anders als in Wien – da heißt es halt, dass man nicht von Stammersdorf bis nach Hietzing eine Stunde fahren will. Auch was die finanziellen und personellen Ressourcen oder die Abhängigkeit von der Politik angeht, gibt es da keine länderspezifischen Unterschiede. Diese entstehen jedoch, wenn situationsbedingte Anpassungen notwendig sind. In Wien und der Steiermark gibt es etwa aus gewissen Bedingungen, Entwicklungen und Situationen heraus viele kleine spezialisierte Einrichtungen – etwa für MigrantInnen und Frauen.
Worin sehen Sie die größten Herausforderungen für die Erwachsenenbildung?Das größte Thema wird in Zukunft ganz sicher die Finanzierung sein. Aber auch die Personalfrage wird immer brisanter. Und das nicht primär, weil sich zu wenige für diesen Bildungsbereich interessieren, sondern weil der Erwachsenenbildung Personal abgeworben wird – von Schulen unterschiedlichster Art. Auch bauliche Adaptierungen der Häuser fordern zunehmend – da braucht es zeitgemäße Anpassungen; besonders was die Barrierefreiheit angeht.
Was braucht es, um diese Herausforderungen bewältigen zu können?Allen voran ein klares Bekenntnis zur Erwachsenenbildung! Zugeständnisse der Politik und Verwaltung und deren bestmögliche Unterstützung in allen Belangen – von der finanziellen Absicherung bis zur Suche von geeigneten Räumlichkeiten und zur Bewusstseinsbildung.
Welchen Weg wird die Erwachsenenbildung in Zukunft gehen?Ich gehe davon aus, dass Erwachsenenbildung in Zukunft wohl etwas anders gedacht werden wird und dem Bereich andere Aufgaben und Zielgruppen zugeschrieben werden.
Wien hatte 2023 den Vorsitz im Ländernetzwerk Weiter.Bildung. Sie haben dafür den Slogan „Bildung verbindet“ gewählt. Warum?Da stecken zwei Aspekte dahinter. Zum einen: Im und über das Netzwerk verbinden sich die Erwachsenenbildungs-Einrichtungen. Das ist wichtig und gut so. Zum anderen: die gemeinsame Teilnahme an einem Kurs hat etwas Verbindendes. Gerade in der allgemeinen Erwachsenenbildung geht es über den jeweils konkreten Inhalt hinaus ja auch viel um Kontakte, um neue Bekannt- und Freundschaften, um das Gemeinsame – da steckt ja auch ein ganz großer sozialer Aspekt dahinter.
Wie kann man das den Menschen stärker bewusst machen?Es braucht, glaube ich, möglichst viele positive Geschichten von Menschen, die einen Aha-Effekt auslösen und quasi die Augen öffnen. Denn die Bereitschaft ist ganz bestimmt da. Das so genannte „Story telling“ ist da eine sehr gute Maßnahme, um die Bedeutung, die Inhalte, die positiven Auswirkungen von Lebenslangem Lernen möglichst schnell und verständlich in die Köpfe der Menschen zu bringen.
Was hindert Menschen Ihrer Meinung nach daran, Weiterbildungs-Angebote in Anspruch zu nehmen?Neben Faktoren wie Finanzierung und Zeit sind es vor allem auch falsche und teils veraltete Vorstellungen von dem, was Erwachsenenbildung ist. Zu viele haben da immer noch klassische Kurse mit Klassenzimmer-Atmosphäre vor Augen. Da wäre es wichtig, die vielen neuen Formate, die es ja schon gibt, auch entsprechend näherzubringen.
Wie könnte das gelingen?Das kann schon bei der Bewerbung von Veranstaltungen beginnen – die Wortwahl bei der Kursbeschreibung ist beispielsweise ganz grundlegend wichtig. Fällt sie zu trocken, zu wenig klar, zu missverständlich und sperrig aus, wird sie wenig ansprechen.
Welchen Stand hat die Erwachsenenbildung generell in unserer Gesellschaft?Sie wird leider nicht als das wahrgenommen, was sie ist und was sie leistet. Für die einen ist sie eine Art Reparaturwerkstatt, wo Versäumtes nachgeholt wird. Für andere, die zu wenig Einblick haben, ist sie etwas, das sie belächeln – da wird dann nur in „Strickkursen“ gedacht.Aber Gedanken über Wert und Nutzen der Erwachsenenbildung gibt es ohnehin weitgehend nur innerhalb der Erwachsenenbildungs-Bubble. Daran denken „andere“ nicht. Ziel müsste also sein, dass jede und jeder weiß, was Erwachsenenbildung ist.
Wie könnte dieses Ziel erreicht werden?Durch intensive Sensibilisierungsarbeit – durch Medien und Politik, aber auch innerhalb der Erwachsenenbildung; durch selbstbewussteres Auftreten, erhöhter Sichtbarkeit etc.
Stichwort Politik und Medien. Warum fristet die Erwachsenenbildung da oftmals ein Stiefkind-Dasein?Weil es keinen gesetzlichen Auftrag dafür gibt! Die Politik hat viele Pflichtaufgaben zu erledigen, da hat die Erwachsenenbildung nicht die oberste Priorität. Und damit ist das Thema zum Teil auch für die Medien nicht vordergründig interessant. Dazu kommt, dass die Materie unleugbar sehr sperrig ist; da braucht es spezielle Zugänge wie das erwähnte „Story telling“. Außerdem ist es nach wie vor so, dass „bad news“ sich grundsätzlich einfach besser verkaufen lassen.
Wie kann die Erwachsenenbildung angesichts der rasanten Veränderungen in allen Lebensbereichen zukunftsfähig bleiben?Von der Erwachsenenbildung als national vernetzten Bereich bis zur kleinsten Einrichtung gilt es up to date zu bleiben. Das heißt: vorausschauend sein, Trends und Entwicklungen rasch aufgreifen – bei Themen und Kurs-Settings am Puls der Zeit sein – noch besser: der Zeit voraus sein – Zielgruppen im Auge haben. Offen sein!
Was bedeutet Lebenslanges Lernen für Sie persönlich?Sich immer wieder, unaufhaltsam, Wissen aneignen – am besten, ohne dass es einem eigentlich bewusst ist. Einfach immer wach, offen und dran sein.
Welche Weiterbildungen machen Sie gerade beziehungsweise sind in Planung?Ich mache gerade mit Freundinnen einen Kurs zu „Vegetarisch kochen“ – obwohl ich keine Vegetarierin bin! Das macht wirklich Spaß. Und ich lerne italienisch. Da habe ich mit einer App begonnen und bald das festgestellt, was mir viele Leute bestätigen: Die App gibt einmal so einen Grundimpuls, die Sache auf einfache Weise in Angriff zu nehmen. Man merkt dann aber rasch, dass man doch jemanden braucht, der erklärt, weiterhilft, Fragen beantwortet. Und dann geht man eben in einen Kurs – bei mir war es genauso.
Was würden sie zudem gerne in Angriff nehmen und woran ist es bis dato gescheitert?Gescheitert sind Vorhaben ganz eindeutig an der Zeit. Yoga würde ich sehr gerne lernen – und noch besser Italienisch.
Bildung wirkt … wenn sich alle darauf einlassen!
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Im Weiterbildungsnavi Steiermark finden Sie tausende Bildungsangebote zu unterschiedlichen Themen. Es ist bestimmt auch etwas für Sie dabei! Wenn Sie sich gerne in beruflicher Hinsicht informieren oder beraten lassen möchten, finden Sie hier weiterführende Informationen.