KI in der Bildungs- und Berufsberatung | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

KI in der Bildungs- und Berufsberatung

November 2024

Bildungs- und BerufsberaterInnen aus dem Netzwerk Bildungsberatung Steiermark (AMS-BerufsInfoZentren Steiermark, AK-Bildungsberatung und Bildungsnetzwerk Steiermark) trafen einander bei einer Kooperationsveranstaltung im AMS Graz West und Umgebung, um Einblick in die aktuellen Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz und deren Einsatzmöglichkeiten, speziell für die Bildungs- und Berufsberatung, zu nehmen.

Diesen ermöglichte Elke Höfler, Assistenzprofessorin für Mediendidaktik und Sprachendidaktik an der Universität Graz. Sie gab zunächst einen Überblick über die Entwicklungen der KI, die ja bereits in den fünfziger Jahren ihren Ausgang genommen hat. „Über die Jahrzehnte ist es dann zwar vereinzelt zu interessanten Entwicklungen gekommen, wie etwa das Sprachmodell ,ELIZA‘ in den 60er Jahren und natürlich die Entwicklung der Computer in den 80ern. Dann ist das Thema aber mehr oder weniger eingeschlafen – bis zum Herbst 2022. Da ist plötzlich ein großer KI-Hype entstanden. Medien sind voll auf das Thema aufgesprungen, in vielen Bereichen wie Medizin, Juristerei oder im Bankenwesen ist der KI-Zug ins Rollen gekommen“, betont Höfler. Um aber gleich auch zu relativieren: „KI spielt derzeit aber noch in keiner Branche eine wirklich relevante Rolle.“

Im Gegenteil: „Den großen und vielfach zu großen Erwartungen, folgten bald einmal Enttäuschungen – weil man in der Euphorie einfach davon ausgegangen ist, dass KI mehr kann, als dann tatsächlich möglich war. Dennoch ist das Interesse nicht abgeflaut, sodass man heute sagen kann: Wir sind am Weg, die Möglichkeiten der KI zu nutzen.“ Die Künstliche Intelligenz, die konkret eine künstliche Datenverarbeitung darstellt, ist also gekommen, um zu bleiben.

Wir nützen KI täglich – aber unbewusst. Das gilt es bewusst zu machen
Der Frage, wie wir KI künftig produktiv nutzen können, stellte Höfler die Tatsache voraus, dass wir Künstliche Intelligenz bereits ohnehin tagtäglich verwenden würden – das jedoch nicht wirklich bewusst sei: „In vielen Tools, die wir ganz selbstverständlich im Alltag nutzen, ist KI enthalten– das reicht von Sozialen Medien wie Instagram, WhatsApp, Tiktok, Youtube und Co. über diverse Suchmaschinen, digitale Vorschlagsysteme, Autokorrekturen bis zu Übersetzungen oder etwa GPS. Überall ist KI integriert – so genannte invisible KI. Abgesehen davon wird aber natürlich auch verstärkt auf ausgewiesene KI-Tools zurückgegriffen, allein das Textgenerierungs-Programm ChatGPT nützen beispielsweise bereits 71 Prozent der Elf bis 17-Jährigen.“

Für Höfler ist es von zentraler Wichtigkeit, diese tägliche unbewusste KI-Nutzung den Menschen bewusst zu machen – und auch, dass sie durch diese Nutzung dazu beitragen, die Künstliche Intelligenz weiterzuentwickeln. Wie sich das künftig auf die Berufswelt auswirken wird, könne heute jedoch noch keiner sagen. Für die Expertin steht dennoch fest, dass 80 Prozent der Berufe, die aktuell empfohlen werden, durch die Technologie verändert würden.

Herausforderungen für die Bildungsberatung – und welche Fähigkeiten künftig gefragt sind
Höfler: „Hinsichtlich Bildungsberatung muss allen voran das sehr heterogene Publikum und Angebot berücksichtigt werden. Daher kann es hier auch keine Tool-Empfehlungen geben. Zudem verschwinden einzelne Tools so schnell wieder, wie sie gekommen sind.“ Sie verweist auf fünf Möglichkeiten, sich der KI zu nähern:
1.) Lernen mit KI
2.) Lernen von KI
3.) Lernen durch KI
4.) Lernen ohne KI
5.) Lernen trotz KI

Bevor jedoch KI ins Spiel kommt, so Höfler, ist es grundlegend bewusst zu machen, dass nicht die KI-Kompetenz das Wichtigste ist, sondern die Lese- und Schreibkompetenz. Als nächstes braucht es Wissen über KI – das heißt die Auseinandersetzung mit Fragen wie: Wie funktionieren Algorithmen und Suchmaschinen? Welche Systeme stecken da dahinter? Es müssen Grundlagen klar sein wie: Wir alle trainieren KI. Oder: KI lügt nicht, sie gibt auch keine falschen Beispiele. KI halluziniert vielmehr! Sie ist ein System, das auf Wahrscheinlichkeiten beruht. Daher ist es für NutzerInnen immer wichtig, einen Fakten-Check zu machen! Denn nur weil etwas wahrscheinlich ist, muss es nicht auch automatisch richtig sein! KI wird, wenn sie nicht entsprechend „gefüttert“ und vor allem auch nicht korrigiert wird, eines Tages „dumm“.

Die Expertin gab auch zu bedenken, dass die KI auf Basis dessen „denkt“, was in der Vergangenheit war. Es ist also wichtig, mit der KI zu kommunizieren, um sie zu trainieren. Höfler verglich den gegenwärtigen Entwicklungsstand der KI mit dem eines pubertierenden Kindes: „Sie sagt zu allem was dazu, weiß aber nicht alles!“ Solches Basiswissen ist für den Umgang mit KI unerlässlich.

Denn: Das Wichtigste im Zusammenhang mit der KI ist das Lernen über die KI sowie Kompetenzen rund um Lesen, Schreiben, kritisches Denken, Fakten checken … mit zunehmendem KI-Einsatz gewinnen also die sogenannten 21st Century Skills zunehmend an Bedeutung:
+ Kreativität! Die Fähigkeit, Neues zu denken, zu lernen und anzuwenden, um sich so von Maschinen und Künstlicher Intelligenz zu unterscheiden.
+ Kritisches Denken! Die Fähigkeit, selbst zu denken, zu lernen und zu bewerten beziehungsweise anwenden zu können.
+ Kollaboration! Die Fähigkeit, mit anderen zusammen zu arbeiten, zu denken, zu lernen und etwas tun zu können.
+ Kommunikation! Die Fähigkeit, das, was ich denke, auch mitteilen zu können – das eigene Denken, Lernen und Handeln mit anderen teilen zu können.

Höfler unterstreicht das mit einem kurzen Einblick in das von der UNESCO entwickelte Konzept „Futures Literacy“, der Befähigung der Menschen zum aktiven Zukunftsdenken. Folgende Kompetenzen werden im Rahmen dieser „Zukunftsalphabetisierung“ als für das 21. Jahrhundert wesentlich genannt: Antizipation, Reflexion und Imagination.

Für den gesamten Bildungsbereich heißt die Grundformel damit: Zukunft lernen und Zukünfte lehren! Dazu braucht es unter anderem neue Prüfungsformate, Prozessorientierung statt Produktorientierung und Begründungskompetenz. Für Schulungen zur Künstlicher Intelligenz bedeutet das: Es gilt in erster Linie, die Fähigkeit zu kritischer Reflexion zu schulen und nicht den Umgang mit diversen KI-Tools!

Was die Bildungs- und Berufsberatung angeht, sieht Höfler die Herausforderung vor allem darin, BeraterInnen diesbezüglich zu schulen. Und sie betont die Notwendigkeit der Erwachsenen- und ganz speziell der Elternbildung: „Eltern müssen dieses Grundlagenwissen haben. Denn es ist, um ein Beispiel zu nennen, kontraproduktiv, einem Kind ein Tablet zu kaufen, bevor es schreiben kann. Ich kann es nicht oft genug betonen: Die Basis für die Anwendung von KI ist umfassende Lese- und Schreibkompetenz.“

Dazu, wo man sich KI-Wissen holt, betont Höfler: „In Schulen laufen zwar Pilot-Projekte, konkret ist KI aber noch wenig Thema und wird auch noch wenig eingesetzt. Auf der Uni beschäftigen sich primär Bereiche wie die Informatik mit Künstlicher Intelligenz, bei Geisteswissenschaften wird KI noch sehr kritisch gesehen.“ Höfler verwies hier auch auf das Thema Bildungsgerechtigkeit und die unterschiedlichen Chancen, sich KI-Wissen anzueignen und Zugang zu KI-Tools zu haben.

Was in Sachen KI zu erwarten ist und wo die „KI-Gehirne“ arbeiten
Was Höfler für die künftige Entwicklung der KI anmerkt, ist, dass es wahrscheinlich vermehrt in Richtung „Kausale KI“ gehen wird – sprich: wenn-dann. Also weniger Wahrscheinlichkeit als zurzeit und mehr Fakt! Und sie macht einmal mehr eindrücklich bewusst: „Dafür sind wir alle Vorbilder.“ Die intensivsten Entwicklungsarbeiten rund um Künstliche Intelligenz finden in den USA, in Russland und China statt. Höfler dazu: „Man weiß, dort wird enorm viel entwickelt, man weiß allerdings nicht was.“

Fazit: Die Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Sie wird viele unserer Lebensbereiche, unser Bildungssystem auf allen Ebenen und unseren Berufsalltag, verändern. Um Menschen entsprechend darauf vorzubereiten sind Basisbildung, allen voran Lese- und Schreibkompetenz und Fähigkeiten wie kritische Reflexion von entscheidender Bedeutung – und nicht primär Schulungen hinsichtlich diverser KI-Tools.

Weiterführende Informationen:

Informationen zu Elke Höfler > | Vorträge & Webinare – Höfler, Elke, MMag. Dr.phil. (uni-graz.at)

Buchtipp: „Die 12 Gesetze der Dummheit. Denkfehler, die vernünftige Entscheidungen in der Politik und bei uns allen verhindern“, Henning Beck, Econ-Verlag.

Für Rückfragen zur Kooperationsveranstaltung können Sie sich gerne an uns wenden:

Bildungsnetzwerk Steiermark

Eine Kooperationsveranstaltung im Netzwerk Bildungsberatung Steiermark – AMS-BerufsInfoZentren Steiermark, AK-Bildungsberatung und Bildungsnetzwerk Steiermark.