Es hat nie jemand genug gelernt | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Es hat nie jemand genug gelernt

Dezember 2023

Für die Heilpädagogin Silvia Hofmann ist Erwachsenenbildung etwas ganz Wichtiges, das im Leben eines jeden Menschen Platz haben sollte – weil es befähigt, bereichert und beflügelt. Für sie selbst ist Lebenslanges Lernen neben wertvoller Kompetenzerweiterung vor allem auch die Basis für persönliches Wachstum und ein Gefühl besonderer Lebendigkeit.

Silvia Hofmann (Foto: © Bildungsnetzwerk)

Sie absolvieren gerade einen Kurs in Gebärdensprache. Was hat Sie dazu motiviert?
Das ist jetzt schon mein fünfter Kurs. Den Grundkurs für Österreichische Gebärdensprache habe ich bereits 2021 absolviert. Das war beruflich bedingt, weil ich aufgrund von Umstrukturierungen vermehrt mit gehörlosen und nonverbalen Menschen zu tun hatte. Mich interessiert dieser Bereich aber ganz grundsätzlich. Und deshalb habe ich mich immer weiter perfektioniert und mache jetzt schon den fünften Teil.

Wo absolvieren Sie diesen Kurs und wie sind Sie gerade auf diesen Anbieter gekommen?
Ich habe mich aktiv auf die Suche gemacht. Es war zur Zeit von Corona aber nicht ganz einfach, ein Angebot zu finden. Bei der Volkshochschule bin ich dann aber fündig geworden. Dort wurde nach den coronabedingt notwendigen Online-Kursen erstmals wieder eine Veranstaltung in Präsenz angeboten. Da habe ich mich gleich angemeldet.

Warum war es Ihnen wichtig, den Kurs in Präsenz zu besuchen?
Ich bin grundsätzlich eine Anhängerin von Präsenz-Angeboten. Aber gerade den Basiskurs in der Gebärdensprache wollte ich keinesfalls online machen. Speziell was die 3D-Darstellungen angeht, ist Präsenz einfach ein unglaublicher Vorteil – zumindest für mich. Ganz abgesehen davon, nimmt man ja auch die KollegInnen anders wahr, man spricht anders. Am Ende eines jeden Kurses setzt man sich am Abend zusammen – das ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt. Selbst die Pausen sind wertvoll, dort tauscht man sich aus – das halte ich fachlich, aber auch sozial für ganz wichtig.

Wie darf man sich das vorstellen? Was haben Ihnen die Pausen gebracht?
Sehr viel! Schöne zwischenmenschliche Kontakte, interessante Gespräche – fachlich wie auch privat. In der Gebärdensprache bekommt ja jeder seinen eigenen Namen, der wird von einem äußeren Merkmal, einer Charaktereigenschaft oder einem Hobby abgeleitet. Darüber haben wir uns beispielsweise in den Pausen unterhalten, das schafft Nähe, das fördert nachhaltige Bekanntschaften. So manche KollegInnen kenne ich jetzt schon seit dem ersten Kurs.

Wie haben Sie den Kurs generell wahrgenommen?
Anfangs war ich positiv aufgeregt und sehr neugierig darauf, welche Leute da zusammenkommen werden. Erfreulicherweise waren es lauter sympathische und empathische Menschen aus den verschiedensten Berufs- und Altersgruppen – am Anfang übrigens ausschließlich Frauen. Ich habe mich vom ersten Abend an sehr wohl gefühlt. Das war auch ein wesentlicher Grund dafür, dass ich weitergemacht habe.

Wie hat sich Ihr beruflicher Alltag durch das neu Erlernte verändert?
Allem voran kann ich mich jetzt mit gehörlosen und nonverbalen Menschen weitaus besser und vor allem in deren Sprache verständigen. Das macht natürlich einen ganz anderen zwischenmenschlichen Umgang möglich. Diese Kompetenz hat mich in meinem Beruf aber auch sicherer gemacht.

Und wie wirkt sich das auf Ihren privaten Alltag aus?
Ich habe eine Fähigkeit dazugelernt, meinen Horizont erweitert – das ist ganz grundsätzlich eine Bereicherung. Als ich zum Beispiel in der Stadt einer gehörlosen Dame begegnet bin, habe ich mich ganz spontan mit ihr unterhalten. Das gibt ein gutes Gefühl. Ich verdanke dem Kurs auch zwei Blasmusikkonzerte. Zwei TeilnehmerInnen spielen nämlich in einer Blasmusikkapelle und haben mich zum Konzert eingeladen – das hätte ich sonst wohl nie gemacht. Eine neue, eine schöne Erfahrung.

Welche Weiterbildungen haben Sie sonst schon in ihrem Leben gemacht?
Ich habe ein Hospizgrundseminar absolviert und auch eine so genannte Marte-Meo-Ausbildung; das ist eine videobasierte Verhaltensbeobachtung zur Verbesserung der Kommunikation und zur Unterstützung der Entwicklung, die speziell im Kinder-, Behinderten- und Altenbereich angewandt wird. Das sind Eigeninteressen, die ich aber auch sehr gut in meinen Beruf als Heilpädagogin einbauen kann. Auf der Urania habe ich aber auch schon ein Schreibseminar besucht. Und als die Kinder klein waren bin ich zum Ausgleich zu Yoga- und Gymnastikstunden gegangen.

Lebenslanges Lernen ist Ihnen also grundsätzlich sehr wichtig?
Das ist mir ganz wichtig, weil Weiterbildung Wachstum bedeutet. Meine Kompetenzen festigen und erweitern – das hört für mich sicher nie auf. Etwas gut zu können, gibt Sicherheit und erhöht den Selbstwert. Neues auszuprobieren hat für mich außerdem eine gewisse Art von Lebendigkeit.

Was würden Sie sich bezüglich Erwachsenenbildung wünschen?
Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen drüber trauen, etwas Neues zu lernen beziehungsweise bestehende Fähigkeiten zu erweitern. Man hört ja oft: „Das würde mich auch interessieren.“ Oder: „Das wollte ich schon immer machen.“ Aber letztlich tun es die Leute dann nicht.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Vielleicht ist es einfach Bequemlichkeit. Oder auch Unsicherheit dahingehend, was auf einen zukommt. Und jetzt, in der Zeit der allgemeinen Teuerungen, spielt mitunter auch der finanzielle Aspekt eine Rolle. Da finde ich den Bildungscheck, wie es ihn von der VHS gibt, eine tolle Unterstützung.

Wie schätzen Sie den Status der Erwachsenenbildung in unserer Gesellschaft generell ein?
Wenn ich auf mein Umfeld schaue, dann hat die Erwachsenenbildung einen durchaus hohen Stellenwert. Vor allem bei jenen, wo die Kinder flügge geworden sind und wo es dadurch wieder mehr zeitliche Ressourcen für die eigenen Interessen gibt – egal ob es eine neue Sprache ist, ob sich jemand der Malerei oder dem Sport widmet. Grundsätzlich glaube ich aber, dass in Bezug auf die Erwachsenenbildung oftmals das Missverständnis vorherrscht, im schulischen Sinn lernen zu müssen. Erwachsenenbildung wird zu wenig damit verbunden, dass man dadurch seinen Horizont erweitern und seinen Interessen nachgehen kann ­– dass man daran als Mensch wächst. Es ist ja alles selbst gewählt und freiwillig!

Leider wird Bildung aber oft im schulischen Sinn gesehen und mit Aufwand, Lernen und Prüfungen ablegen müssen verbunden. Aspekte wie Spaß, Geselligkeit, wertvoller Kompetenzerwerb oder persönliche Entwicklung sind im Zusammenhang mit Weiterbildung hingegen wohl zu wenig bewusst. Das liegt vermutlich auch an der Wortwahl. Erwachsenenbildung klingt sehr streng, das müsste man positiver färben. Erwachsenenbildung ist nämlich unglaublich wichtig – für jeden. Denn es hat ja nie jemand genug gelernt.

Bildung wirkt … auf jeden anders, aber sie wirkt.

Das Interview erschien am 11. Dezember 2023 auch in der Woche Steiermark. Vielen Dank an die WOCHE Steiermark für die Berichterstattung und Kooperation!

Weiterführende Informationen

Im Weiterbildungsnavi Steiermark finden Sie dazu die aktuellen Angebote und tausende weitere Bildungsangebote zu unterschiedlichen Themen. Es ist bestimmt auch etwas für Sie dabei!

Die Urania sowie die VHS Steiermark veranstalten regelmäßig Kurse zur Gebärdensprache. Die aktuellen haben bereits begonnen, es werden jedoch regelmäßig neue Kurse angeboten, hineinschauen lohnt sich. Informationen und Angebote zum Thema Gebärdensprache für Gehörlose und deren Angehörige bietet die Seite des Steirischen Landesverbandes der Gehörlosenvereine im Österreichischen Gehörlosenbund.

Und wenn Sie noch nicht ganz wissen, welche Chancen es für Sie im Bildungskontext gibt: Information und Beratung zu allen Fragen der Aus- und Weiterbildung für Erwachsene erhalten Sie im Bildungsnetzwerk Steiermark anbieterneutral und kostenlos:

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