Das Bauchgefühl ist eine Erfahrungsskala | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Das Bauchgefühl ist eine Erfahrungsskala

Hans-Peter Zankl vom bfi Steiermark im Gespräch über das Verhältnis von Theorie und Praxis, zukünftige Herausforderungen und seine Erfahrungen in der Arbeit in der Erwachsenenbildung.

Hans-Peter Zankl (Foto © Bildungsnetzwerk)

Wie sind Sie zum bfi gekommen?
Ich bin über eine EDV-Weiterbildung, die ich besucht habe, regelrecht ins bfi hineingewachsen. Noch während der Ausbildung habe ich angefangen, selbst hier als Trainer zu arbeiten.

Dann kam die Aufgabe als Bereichsleiter dazu, später wurde ich Teil der erweiterten Geschäftsführung. Ohne ein Pädagogikstudium eigentlich ein beachtlicher Weg – zum Glück waren und sind in Österreich solche Berufswege ohne Studienabschluss möglich, weil auch Erfahrung eine große Bedeutung hat.

Wo haben Sie die Erfahrungen für Ihre Arbeit sammeln können?
Mein Bildungsweg wurde zunächst sehr vom Elternhaus geprägt, ich war der Erste meiner Familie, der aufs Gymnasium gegangen ist und der Erwartungsdruck auf mich war schon sehr hoch. Ein Studium im Vermessungswesen habe ich dann zwar begonnen, aber schnell festgestellt, dass das alles viel zu theoretisch für mich ist. Zahlen waren zwar „mein Ding“, aber nicht in der Theorie, die praktische Verwendung war für mich interessant. Ich habe dann vor meiner Tätigkeit im bfi im Ausland in der Industriemontage gearbeitet. Von den erworbenen handwerklichen Kompetenzen profitiere ich noch heute. 

Was gefällt Ihnen persönlich an der Arbeit in der Erwachsenenbildung?
Mir hat die Wissensvermittlung immer Spaß gemacht, dazu beitragen zu können, dass Menschen schneller und leichter ans Ziel kommen. Bei dieser Arbeit merkt man schnell, ob und wie Inhalte ankommen, und praktischere Lösungen bringen den Menschen Mehrwert. Am meisten Spaß gemacht haben mir die Excel-Seminare, ich führe noch immer hin und wieder interne MitarbeiterInnenschulungen zu Excel durch [lacht].

Hat Sie Ihre Bildung auch privat geprägt?
Ja sicher, ich habe mich immer sehr in meine Arbeit vertieft – mit allen Vor- und Nachteilen. Es ist schon wichtig, Ambitionen zu haben, aber man sollte das auch nicht übertreiben. Das war für mich ein Lernprozess in eigener Sache. Das hat mich als Vater beeinflusst, indem ich meinen Sohn zwar immer unterstützt habe, aber auch gesagt habe, dass er die Entscheidungen für sich trifft. Man muss nicht immer mit dem höchsten Abschluss kokettieren, sondern kann auch mit Lehre oder anderen Ausbildungen zum Ziel kommen. Ich glaube, dass auch in Zukunft eine Mischform aus Theorie und Praxis nötig sein wird. Ein Studium hat eine Mindestdauer, aber Erfahrung aufzubauen dauert unterschiedlich lang. Wichtig sind insbesondere praktische und wirtschaftliche Kompetenzen.

Wo sehen Sie die aktuellen Herausforderungen in der Wirtschaft und Gesellschaft?
Die technischen und digitalen Entwicklungen passieren schneller, als man tatsächlich ausbilden kann. Wir müssen weg von normierten Strukturen in den Ausbildungen – man wird sich hier neue Ausbildungsmodelle überlegen müssen und es darf auf keinen Fall zu einer Zweiklassengesellschaft aus Studierten und Nicht-Studierten kommen. Ich meine, dass aktuell die Anforderungen an Fachkräfte künstlich immer weiter hochgeschraubt werden, zum Beispiel bei der Mechatronik – die Anforderungen dort sind mittlerweile so hoch wie für HTL-Absolventen. Es gilt jetzt aber zu überlegen, was die Fachkräfte selbst tatsächlich brauchen. Die Lehrabschlussprüfung ist beispielsweise auch nicht Endpunkt einer Ausbildung. Mein Traum wäre ja ein modulares System zur Unterstützung und zur Förderung als Anschluss an die Lehrausbildung. Davon könnten Stärkere und Schwächere profitieren. Fördern und fordern also – und auch für Neues motivieren …

Stehen für Sie selbst auch noch Weiterbildungen an?
Das tägliche Tun im Bildungsbereich ist begleitet von einer laufenden Weiterbildung. Um strategische Herausforderungen bearbeiten zu können, bedarf es immer wieder neuer Methoden – das Kennenlernen dieser Methoden und deren praktische Anwendung bilden weiter. Auch privat stehen Weiterbildungen an: in der Pension, also in ein paar Jahren, möchte ich noch mein großes Hobby, meine Leidenschaft fürs Kochen, vertiefen … eventuell noch Kochkurse besuchen und dann vor allem selbst viel kochen.

Welche Botschaft möchten Sie im Zusammenhang mit „Bildung wirkt“ anderen Menschen übermitteln?
Das Bauchgefühl ist eine Erfahrungsskala – wenn ich zum Beispiel das Gefühl habe, dass ich in einem Bereich noch mehr Wissen bräuchte, dann sollte ich das angehen, das tut auch nicht weh, es tut nur nachher weh, wenn man nichts gemacht hat! Bildung wirkt in vielen Bereichen unterstützend, und zwar im Erwerbsleben, aber auch gesellschaftlich, gesundheitlich, individuell, im Privaten und auch wirtschaftlich. Auch die sozialen Funktionen sind enorm, man bekommt etwa Erfahrung im Arbeiten mit Gruppen. Im Sinne des Lebenslangen Lernens ist Bildung einfach permanent gefordert, das Arbeitsleben ändert sich, man arbeitet nicht wie früher mal ein Leben lang bei derselben Firma. Wichtig finde ich auch die Auseinandersetzung mit den aktuellen Entwicklungen, auch mit den sozialen Medien, die natürlich Möglichkeiten, aber auch Risiken bereithalten.

Bildung wirkt … auf uns alle!

Das Interview erschien am 27. Juli 2022 auch in der Woche Steiermark. Vielen Dank an die WOCHE Steiermark für die Berichterstattung und Kooperation!

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