Lernen ist eine absolute Leidenschaft von mir | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Lernen ist eine absolute Leidenschaft von mir

Michael Weissensteiner hat von der Wiege weg die Volksmusikbühne erklommen, drei Studien absolviert, unzählige Kurse abgeschlossen und kann vom Lernen einfach nicht genug bekommen. Empathie und Menschlichkeit sieht er als zwingend notwendige „Fächer“ für ein künftig gutes gesellschaftliches Zusammenleben an.

Michael Weissensteiner (Foto © Martina Fuchsberger)

Sie sind Geschäftsführer des Steirischen Volksliedwerkes. Wie sind Sie überhaupt zur Volksmusik gekommen?
Ich bin bereits mit der Volksmusik aufgewachsen – auf einem Bauernhof in St. Gallen im Gesäuse liegt die Wurzel meiner tiefen und engen Verbundenheit mit der Volksmusik.

Welche Aus- und Weiterbildungen haben Sie schließlich zum Steirischen Volksliedwerk geführt?
Ich habe das Studium „Alpine Naturgefahren“ an der Universität für Bodenkultur in Wien absolviert. Danach folgte ein Volksmusik-Studium in München – mit dem Schwerpunkt „Steirische Harmonika“. Da habe ich dann gemerkt: Die Volksmusik ist mir so wichtig, sie muss in irgendeiner Form zu meinem Beruf werden. Das hat sich auch nicht geändert, nachdem ich eine Management-Ausbildung an der Universität in Oxford gemacht habe. Ich war daneben immer als Musiker und als Musikant aktiv; habe Volksmusik-Seminare gemacht ­auch über das Steirische Volksliedwerk. Die Möglichkeit, hier die Geschäftsführung zu übernehmen, ist letztlich aber völlig unerwartet gekommen.

Und Sie haben sofort zugegriffen?
Eigentlich schon; die Entscheidung ist tatsächlich in kürzester Zeit gefallen. Diese Kombination aus Musik, Management und Referententätigkeit war ja wie aufgelegt für mich. Und auch das Anliegen des Volksliedwerkes, möglichst oft und nahe draußen bei den Menschen zu sein entspricht meiner Natur. ­ Als Musiker und Musikant absolviere ich 70 bis 80 Auftritte pro Jahr und bin damit ständig im Kontakt mit Menschen.

Was macht diesen direkten Kontakt zu den Menschen so wichtig und wertvoll?
Ich kann so viel besser abschätzen, was die Leute wirklich brauchen, was sie denken – und dann in meiner Arbeit ganz konkret darauf reagieren. Darauf kommt es ja letztlich an. Vom Schreibtisch aus läuft man Gefahr, an den tatsächlichen Bedarfen vorbei zu arbeiten.

Was sehen Sie in ihrer Funktion als die größten Herausforderungen an?
Vor allem eine mittel- und langfristige finanzielle Planung zu schaffen, um das Volksliedwerk in eine wirtschaftlich sichere Zukunft inmitten der Gesellschaft zu führen. Was das Inhaltliche angeht, liegt die große Herausforderung in der sich gerade sehr stark wandelnden Gesellschaft und in der Unabsehbarkeit dessen, wie stark und in welche Richtung sich alles verändern wird. Was auch kommt, es gilt, das Volksliedwerk relevant zu halten und verstärkt in die Öffentlichkeit zu tragen, wie wertvoll es ist, was wir hier anbieten.

Worin liegt der besondere gesellschaftlich relevante Wert des Volksliedwerkes?
Wir bieten Menschlichkeit an! Und Empathie – das wird eine der wichtigsten Fähigkeiten sein, die wir künftig brauchen werden – ebenso wie Gemeinschaftssinn. Wenn wir zu wenig zusammen sind und zu wenig miteinander reden, wird es für das gesellschaftliche Zusammenleben ganz schwierig werden.

Was kann das Volksliedwerk diesbezüglich leisten und bieten?
Wir bieten unter anderem das „Selbst-tun“ an! Selbst singen, selbst jodeln, selbst musizieren. Das heißt: aktiv statt passiv sein. Nicht nur dabei, sondern mittendrin sein! Das macht unser Angebot in Zeiten wie diesen aus meiner Sicht so extrem zukunftsrelevant.

Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Volksliedwerk sonst noch?
Neben der finanziellen Absicherung und der inhaltlich relevanten Ausrichtung halte ich es für eine meiner wichtigsten Aufgaben dafür zu sorgen, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen, sich entwickeln und entfalten können, um so einen starken Zusammenhalt innerhalb des Betriebes zu gewährleisten. Das heißt: Es muss etwas weitergehen, die Mitarbeiter sollen sich dabei aber auch wohlfühlen.

Wenn sich jemandem im Zusammenhang mit dem Volksliedwerk der Bildungsaspekt nicht wirklich erschließt – wie erklären sie ihn?
Der ist sehr weitläufig – gerade singen und musizieren sind ganzheitliche Bildung. Man trainiert das Gehirn, die Merkfähigkeit, die Atmung, die Koordinationsfähigkeit usw. Man lernt zu lernen. Ganz wichtig: man lernt Sozialkompetenz! In der Gruppe sein, gemeinsam singen und musizieren – das erfordert gutes Zusammenspiel mit anderen – zuhören, zusehen –, es lässt aber auch ganz viel individuellen Spielraum. In Gesellschaft sein hält außerdem wach, regt geistig an, macht Menschen dynamischer, offener, geselliger. Wer viel unter Menschen ist, lernt neue Sichtweisen kennen, übt Toleranz – das sind Kompetenzen, die überaus wichtig sind und im Leben enorm helfen.

Heute gibt es aber auch vermehrt die Möglichkeit, Instrumente im Eigenstudium über Online- oder Social-Media-Kurse zu erlernen. Wie bewerten Sie diese Option?
Das ist nicht vergleichbar mit einem Präsenzunterricht, wo ich Lehrer, Kolleginnen und Kollegen frontal vor mir beziehungsweise direkt an meiner Seite habe. Es fehlt das Feedback. Ein begeisternder Lehrer kann Freude und Motivation vermitteln. Das geht in Onlinekursen bei Weitem nicht in dieser Intensität. Auch der Austausch unter den Singenden oder Musizierenden, das Gefühl von Gemeinschaft und Miteinander ist nicht gegeben. Aber gerade darauf kommt es ja ganz stark an. Wir müssen mehr denn je mit allen Sinnen erleben und leben – da ist der Bildschirm alleine zu wenig.

Welche Rolle nimmt das Volksliedwerk innerhalb der Erwachsenenbildungseinrichtungen ein?
Eine sehr wichtige! Aufgrund unseres sehr einfachen und niederschwelligen Zuganges zu den Angeboten helfen wir, Hemmschwellen zu überwinden. Man kann einfach einen Kurs buchen, sich ein Instrument ausborgen – da fällt dann erstmal auch die finanzielle Hürde weg – und einfach einmal etwas ausprobieren. Man braucht keine Vorkenntnisse, es ist völlig egal, wie alt oder jung man ist – man darf sich trauen! Das gibt es sonst nirgendwo in dieser Form.

Zu traditionell und zu konservativ – damit wird das „Steirische Volksliedwerk“ häufig verbunden. Wie gehen Sie damit um?
Da braucht es in Zukunft einen guten Spagat zwischen dem, was man erhalten soll und dem, was sich verändern muss. Denn: Alles Lebendige muss sich wandeln! Andererseits brauchen die Menschen in einer Welt, die immer unüberschaubarer und fragiler wird, mehr denn je Halt – etwas Erdiges also, mit dem sie sich identifizieren können. Und gerade die Volksmusik ist ganz nah bei den Menschen und ihren Gedanken – sie gewinnt da jetzt wohl auch eine neue Bedeutung.

Welchen Stellenwert räumen Sie der Erwachsenenbildung in der heutigen Zeit generell ein?
Wie die Gesellschaft generell, so ist auch die Arbeitswelt einem starken Wandel unterworfen. Es muss uns bewusst sein, dass wir künftig nicht mehr über Jahrzehnte in einem Beruf ausharren werden. Das heißt: Es braucht ständige Anpassung an die neuen Gegebenheiten. Man muss am Ball sein, um jobfit zu bleiben. Außerhalb der Arbeitswelt sind Empathie und Menschlichkeit künftiger gefragt denn je – für ein gutes, gemeinsames, friedliches Leben in Gesellschaft sind soziale Kompetenzen das Um und Auf. Niemand kann auf Dauer alleine glücklich sein. Damit all das gelingen kann, braucht es laufende Anpassungen und Weiterentwicklungen – braucht es lebenslanges Lernen.

Was sind dahingehend Ihre Wünsche?
Dass wir uns bewusst machen: Es gibt keine Untergrenze an Können. Erwachsene jeden Alters sollen sich trauen, etwas auszuprobieren, das sie interessiert, das ihnen Spaß bereitet. Und: Wir sollten unsere Werte überarbeiten! Unsere Wertekultur wurde von der Wirtschaft ins zutiefst zwischenmenschliche übertragen – da hat jemand gleich einmal eine schlechtere Stellung, wenn er etwas nicht kann. Davon müssen wir uns entfernen!

Was sind Ihre nächsten Weiterbildungsmaßnahmen?
Da muss ich mich eigentlich einbremsen. Es ist ein wesentliches Merkmal von mir, dass ich unglaublich gerne lerne. Ich habe drei Studien abgeschlossen, unzählige Kurse besucht – als Musikant und Musiker lerne ich zudem jeden Tag etwas dazu. Das macht viel Spaß und ist ein unglaubliches Gefühl – ich komme da jedesmal in einen regelrechten flow, bin ganz tief in der Musik drinnen. Es ist wirklich eine ganz große Leidenschaft von mir, zu lernen.

Bildung wirkt … befreiend!

Weiterführende Informationen

Im Weiterbildungsnavi Steiermark finden Sie tausende Bildungsangebote zu unterschiedlichen Themen. Es ist bestimmt auch etwas für Sie dabei! Hier finden Sie auch Informationen zu den Angeboten im Steirischen Volksliedwerk.

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