Tag der Weiterbildung 2022 Arbeitsgruppe B
Arbeitsgruppe B „Wie kann Bildung in der Gemeinde wirken? Die Bedeutung regionaler Verantwortung und Vernetzung für lebensbegleitendes Lernen im Kontext aktiver Beteiligung in den steirischen Regionen“
Mario Abl (Bürgermeister Gemeinde Trofaiach) und Isolde Seirer-Melinz (Steirisches Volksbildungswerk)
Bereits bei den Anmeldungen zum Tag der Weiterbildung 2022 zeichnete sich großes Interesse für die Arbeitsgruppe B ab. Dies verwundert wenig – so wissen wir u.a. aus dem Monitoring Steirische Erwachsenenbildung, dass viele Angebote nicht nur durch regionale Initiativen, sondern vor allem auch durch überregional tätige Einrichtungen gesetzt werden. In dieser Arbeitsgruppe wurden Erfahrungswerte ausgetauscht und fördernde Faktoren für die erfolgreiche Umsetzung von Bildungsangeboten in ländlichen Regionen festgehalten. Auch wenn zwei Stunden kaum ausreichen, um „eine endgültige Antwort“ auf diese Fragen zu finden, konnten einige Lösungsansätze generiert werden.
Ehrenamt: Passende Rahmenbedingungen ermöglichen Engagement
Zunächst stellten die Workshopleitungen zwei erfolgreiche Beispiele aus ihrem Tätigkeitsfeld vor. Mario Abl berichtete von den „Iron Women – Frauen an der Eisenstraße“, einem Projekt, das die regionale Teilhabe von Personen fördert, die (wieder) in die Region zugezogen sind und sich (wieder) in die lokale Gesellschaft eingliedern möchten. Der große Unterschied zu Vereinen ist, dass es sich um eine lose Kooperations- und Austauschplattform handelt und die Teilnehmenden keine Verbindlichkeiten in Kauf nehmen müssen. Isolde Seirer-Melinz führte im Steirischen Volksbildungswerk das Projekt „Frauen Region Ehrenamt“ im Bezirk Murau durch, wo es darum ging, weibliche Ehrenamtliche zu fördern und in ihren Lebenswelten zu unterstützen. Zentraler Partner war der Verein „murauerInnen“; vorab akquirierte Vertrauenspersonen wirkten als weitere MultiplikatorInnen. Im Rahmen von Vorerhebungen und Gesprächsrunden wurden Bedarfe erhoben und darauf aufbauende Workshops angeboten (zur Ergebnisbroschüre).
Danach folgte eine Austauschrunde, bei der die Teilnehmenden ihren Tätigkeitsbereich sowie fördernde Faktoren aus ihren eigenen Erfahrungen vorstellten. Eine Zusammenführung:
Engagement und Vertrauenspersonen vor Ort
Am wichtigsten sind Personen, die vor Ort leben, etwas bewegen wollen, sich für eine Initiative verantwortlich fühlen und ein Netzwerk haben. Ehrenamtliche Tätigkeiten gehen am Land vor allem auf Vereine zurück. Das Engagement Einzelner ist häufig jedoch zeitlich begrenzt. Dennoch sind es oft Einzelpersonen, die Initiativen anstoßen (z.B. bei Eltern-Kind-Zentren engagierte Mütter). Privatinitiativen haben bei der lokalen Bevölkerung erfahrungsgemäß ein besseres Standing als traditionelle Bildungseinrichtungen. Auch bei MultiplikatorInnen, die geschult wurden, lassen die Aktivitäten mit der Zeit nach, wenn sie nicht wirklich hinter einem Angebot stehen.
Unterstützungsmöglichkeiten durch Gemeinden und Kommunen
Als hilfreich werden dauerhafte Kontakte zu Personen aus der Verwaltung (oft höhere Kontinuität als bei Personen aus der Politik) gesehen. Bei PolitikerInnen ist das Vertrauen der Bevölkerung ein Erfolgsfaktor. Das Top-Down-Prinzip funktioniert bei Gemeinden nicht immer, ein Kontakt allein (z.B. zum/-r BürgermeisterIn) reicht nicht aus. Ein wesentlicher Unterstützungsfaktor ist die Schaffung von Rahmenbedingungen, z.B. Räume, schnelles Internet und öffentliche Verkehrsmittel zur Erreichbarkeit der Angebote etc. Auch die Themen Frauen und Familie sind eng mit Bildung verknüpft. Hier könnten sich auch Kooperationsmöglichkeiten zwischen mehreren Gemeinden ergeben.
Gutes Netzwerk und abgestimmte Prozesse
Für Bildungseinrichtungen gilt: Je regionaler man verankert ist, umso mehr kriegt man von den regionalen Bedarfen mit. Es gibt auch neben der Erwachsenenbildung viele andere Bereiche mit Angeboten, die die gesellschaftliche Teilhabe fördern (Vereine, Kultur etc.). Im Idealfall wissen alle AkteurInnen voneinander und ihren jeweiligen Aktivitäten.
Themen setzen, die Menschen berühren
Community Education handelt aufgrund der Bedarfe der lokalen Bevölkerung, es bedarf jedoch auch der Entwicklung von Angeboten, die Anschlussmöglichkeiten schaffen, nach denen nicht explizit gefragt wurde. Regionale Schwerpunktthemen können ein Schuhlöffel für gesellschaftsrelevante Themen sein. Im Bereich der Demokratiebildung können historische Schauplätze exemplarisches Lernen ermöglichen.
Mit Flexibilität auf Lebensrealitäten Rücksicht nehmen
Innovative Bildungsformate, z.B. modulare Systeme oder Blended-Learning-Formate, ermöglichen den Lernenden eine freiere Zeiteinteilung. Digitale Angebote haben auch Interessierte aus anderen Regionen erreicht – eine Chance, die Reichweite einer Einrichtung zu vergrößern. Es wird eine neue Kultur mit Fokus auf Vereinbarkeit beobachtet, einige Arbeitsgruppenteilnehmende wünschen sich auch privat mehr Angebote in diesem Bereich. Wichtig ist, innovative Formate nicht nur im Hochqualifizierungsbereich anzubieten.
Sichtbarkeit und Information für alle Zielgruppen
Die tollsten Initiativen nützen nichts, wenn sie außerhalb der Branche kaum bekannt sind. Gute Erfahrungen wurden mit niederschwelliger Breitenkommunikation gemacht: Postalische Aussendungen und Gemeindezeitungen erreichen alle Haushalte, auch nicht-technikaffine Menschen aller Alters- und Gesellschaftsschichten. Um neue Kreise anzusprechen, bedarf es auch zielgruppenspezifischer Kommunikationsformate. Als wichtig wird auch ein niederschwelliger Zugang, z.B. durch Informationsveranstaltungen, gesehen.
(Förder-) rechtliche Rahmenbedingungen
Als wichtigste Rahmenbedingung wurden Zeit und vor allem Kontinuität genannt. Der Aufbau von Strukturen und Netzwerken kostet Zeit und viele Initiativen enden, weil Projektfinanzierungen vorbei sind. Zudem dürfen Vorgaben nicht zu starr sein, damit Vereine weiterhin flexibel auf Bedarfe reagieren können. Die Verwaltung benötigt Informationen, um Initiativen unterstützen zu können. Die Politik ist gefordert, Rahmenbedingungen wie z.B. die Sozialversicherungsgesetze für KursleiterInnen regelmäßig zu prüfen und ggf. anzupassen.