Am Puls der Zeit und in stetiger Entwicklung | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Am Puls der Zeit und in stetiger Entwicklung

Juli 2024

Zur Erwachsenenbildung kam Karin Reisinger eher zufällig. Als Leiterin der Weiterbildungsakademie Österreich, kurz wba, war sie von Anfang an mit im Boot und führte die Zertifizierungs- und Kompetenzanerkennungsstelle schließlich zum preisgekrönten Vorzeigemodell. Das Bildungsnetzwerk Steiermark sprach mit der Expertin über Qualitätsprofile, Validierung, Highlights und darüber, was die wba für die Zukunft plant.

Karin Reisinger (Foto © wba)

Welcher Weg hat Sie in die Erwachsenenbildung geführt?
Ich habe Soziologie und Pädagogik an der Universität Wien studiert, Soziologie war mein Hauptfach. In die Erwachsenenbildung bin ich durch Zufall gekommen. Ich war zu Ende meines Studiums mit einer Freundin im Schwimmbad und sie meinte: „Wir suchen jemanden beim bfi, bewirb dich!“ Das habe ich getan.

Was war dort Ihr Aufgabenbereich?
Ich war Trainerin für Langzeitarbeitslose, Ziel war deren berufliche Reintegration. So habe ich mir meine ersten Sporen verdient und die Arbeit mit Erwachsenen hat mir gefallen. Nach diesen ersten Jahren als Trainerin wollte ich auch den Bereich der Bildungs- und Berufsberatung kennen lernen und habe anschließend beim ABZ*AUSTRIA (Arbeit Bildung Zukunft) fünf Jahre mit Wiedereinsteigerinnen gearbeitet.

Und wie kamen Sie zur wba?
Der Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) entwickelte von 2004-2007 in einem ESF-Projekt die wba und stellte mich als Projektmitarbeiterin ein. Aus diesem Projekt ging 2007 die wba hervor, die anfangs von Anneliese Heilinger geleitet wurde. Als sie 2008 in Pension ging, übernahm ich ihre Funktion.

Sie haben seit nunmehr 17 Jahren Erfahrung in der Kompetenzanerkennung und Professionalisierung in der Erwachsenenbildung. Was waren bzw. sind Ihre Highlights in diesem Prozess?
Zunächst freut es mich, dass es gelungen ist, die Qualifizierungsprofile lernergebnisorientiert zu gestalten, auch im Hinblick auf die spätere Einordnung in den Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR). Als eine der ersten Qualifikationen im non-formalen Bereich wurde 2020 der wba-Abschluss „Zertifizierte Erwachsenenbildnerin / Zertifizierter Erwachsenenbildner“ in den NQR auf Stufe 5 zugeordnet. 2021 folgte das wba-Diplom „Diplomierte Erwachsenenbildnerin / Diplomierter Erwachsenenbildner“ auf Stufe 6 – und somit auf der gleichen Stufe wie ein Bachelor-Abschluss. Die NQR-Zuordnung macht die wba-Abschlüsse europaweit mit anderen Qualifikationen vergleichbar, da eine Zuordnung in den NQR mit einer solchen in den Europäischen Qualifikationsrahmen einhergeht. Für die Professionalisierung der ErwachsenenbildnerInnen ist dies bedeutend, denn damit erhalten die wba-Abschlüsse die Wertigkeit, die ihnen zusteht und stärkt die Sichtbarkeit dieser beruflichen Gemeinschaft.

Sicher auch ein Highlight war die wissenschaftliche Begleitforschung der Karl-Franzens-Universität Graz zwischen 2015 und 2018: „wba innovativ – Wissenschaftliche Begleitung“. Dazu ist das Buch „Kompetenzanerkennung und Validierungspraxis in der Erwachsenen- und Weiterbildung“ erschienen. Forscherinnen und Forscher beobachteten dafür die wba-Mitarbeiterinnen mittels „Lautem Denken“ bei der Bewertung von Portfolios. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass wir bei unserer Arbeit formal vorgehen, der Anspruch sehr hoch ist, die Mitarbeiterinnen aber dennoch eine pädagogisch fördernde Haltung einnehmen.

Auch unsere 10-Jahres-Tagung und die damals erhobene Wirkungsevaluation war ein wesentlicher Meilenstein. Die Ergebnisse zeigen den großen Mehrwert, den eine wba-Zertifizierung für die AbsolventInnen mit sich bringt – unter anderem auch auf persönlicher Ebene, zum Beispiel durch ein höheres Bewusstsein für eigene Stärken und Fähigkeiten und einer Steigerung des Selbstwertes.

Bildungspolitisch konnte sich die wba immer wieder mit ihrer Fachexpertise einbringen, so etwa 2017-2018 durch die Mitwirkung am Kriterienkatalog zur Förderung der Qualität von Validierungsverfahren im Bereich der Berufs- und Erwachsenenbildung in Österreich im Rahmen der Validierungsstrategie des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF).

Die Arbeit der wba wurde auch ausgezeichnet?
Ja, wurde sie: 2013 durften wir für unsere Arbeit im Bereich der Zertifizierung und Kompetenzanerkennung in Brüssel den Observal NET Validation Prize entgegennehmen. Validierung, der internationale Fachbegriff für Kompetenzanerkennung, war damals in Österreich und auch generell – abgesehen von Frankreich und den nordischen Ländern – noch etwas Neues.

Erhalten Sie auch persönliches Feedback?
Ja, unser „laufendes Highlight“ ist das viele positive Feedback durch unsere KandidatInnen. Oft erfahren wir erst Jahre später wie sehr sich das berufliche Leben unserer Kandidaten und Kandidatinnen positiv verändert hat und welche neuen Entwicklungen durch einen wba-Abschluss angestoßen wurden. Auch heute, nach 17 Jahren, haben wir regen Zuspruch und erhalten nach wie vor viel positives Feedback.

Inwieweit spielt Digitalisierung eine Rolle für die wba?
Vor drei Jahren haben wir den Login-Bereich der wba-Website vollkommen neu aufgesetzt. Alle Unterlagen zur Zertifizierung werden seither online eingereicht, das ist übersichtlich und extrem benutzerfreundlich. Die gesamte Kommunikation mit den KandidatInnen findet im Login-Bereich statt und auch Anbietende können Angebote online einreichen. Die Beratungstätigkeit hat das natürlich nicht ersetzt, aber die Prozesse sind effizienter und übersichtlicher geworden.

Welche Funktion übernahm die wba hinsichtlich des Qualitätsprofils für BasisbildnerInnen?
Die wba wurde vom BMBWF beauftragt, ein Qualifikationsprofil für diese Zielgruppe zu entwickeln. Unter Einbindung von Expertinnen wurde in einem zweijährigen partizipativen Prozess das „Qualifikationsprofil Basisbildnerin und Basisbildner“ entwickelt.  Es bildet die Grundlage für Lehrgänge in diesem Bereich sowie für das wba-Anerkennungsverfahren.

Die wba-Zertifizierung richtet sich an Personen, die bereits Erfahrungen als TrainerIn in der Basisbildung gesammelt haben, aber über keine entsprechende Ausbildung verfügen. Mit dem wba-Zertifikat „Zertifizierte Basisbildnerin / Zertifizierter Basisbildner“ können sie ihre Kompetenzen als BasisbildnerIn sichtbar machen und sind damit berechtigt, als TrainerIn in Basisbildungskursen im Rahmen von Level Up – Erwachsenenbildung zu arbeiten.

Neu ist auch ein niederschwelliger Zugang in das Feld der Erwachsenenbildung – was war die Motivation für das Ansprechen der neuen Zielgruppe?
Das wba-Zertifikat ist bestens bewährt, stellt aber relativ hohe Anforderungen. Nebenberuflich oder ehrenamtlich Tätige fühlen sich oft nicht angesprochen. Auch aus diesem Grund hat das Kooperative System beschlossen, ein Grundlagenseminar zu entwickeln. Das Seminar „Grundlagen der Erwachsenenbildung“ richtet sich bewusst an alle Mitarbeitenden von Erwachsenenbildungseinrichtungen, also neben pädagogisch Tätigen auch an MitarbeiterInnen in der Administration, im Garten oder in der Küche. Neben dem Austausch und einem identitätsstiftenden Teil erfahren die Teilnehmenden Grundlegendes zur Geschichte und Struktur der österreichischen Erwachsenenbildung, setzen sich mit Themen wie Qualitätsentwicklung und rechtlichen Grundlagen auseinander und reflektieren Werte und Menschenbilder in der Erwachsenenbildung.

Wann gibt es das erste Grundlagenseminar?
Das Seminar wird erstmals am 11./12. November 2024 am bifeb angeboten, zwei weitere Termine sind bereits für 2025 geplant. Die Teilnahme ist kostenlos, für Unterkunft und Verpflegung muss selbst aufgekommen werden. Wir würden uns sehr freuen, wenn dieses Angebot rege genutzt wird!

Stichwort „Internationale Professionalisierung der Erwachsenenbildung“: Wie wird Österreich im DACH-Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) wahrgenommen?
Unser Austausch im DACH-Raum ist entstanden, da alle drei Länder etwas Ähnliches im Kontext der Validierung und Anerkennung anbieten. Der ursprüngliche Fokus beim ersten Treffen in der Schweiz im vergangenen März lag auf der Validierung, dann entstand die Idee zu einem zukünftigen allgemeinen Professionalisierungsaustausch. Spannend finde ich, dass die wba im deutschsprachigen Raum als fortschrittlich wahrgenommen wird. Es heißt, dass wir in Österreich pragmatischer seien und nicht ganz so trocken theorielastig im Sinne von praxisfern vorgehen.

Die wba gilt aufgrund ihrer Erfolgsgeschichte als Vorzeigebeispiel. Wie sieht die Zukunft aus?
Was uns sehr freut ist, dass die wba, die bisher aus ESF-Mittel gefördert war, im nächsten Jahr gemeinsam mit Ö-Cert und Level Up an das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, kurz bifeb, angebunden wird. Damit endet der langjährige Projektstatus der wba. Mit der neuen rechtlichen Form kann die wba noch besser zur Bereitstellung eines qualitätsvollen und zukunftsorientierten Angebots der Erwachsenenbildung beitragen.

Die wba wird sich weiterhin für die Weiterentwicklung sowie die verstärkte Wahrnehmung und Anerkennung des Berufsfeldes Erwachsenenbildung einsetzen. In der Erwachsenenbildung arbeiten sehr engagierte und breit qualifizierte Menschen, leider oft auch in prekären Arbeitsverhältnissen. Für uns ist es wichtig, dass ein wba-Abschluss bei Stellenausschreibungen oder Bewerbungen in Zukunft entsprechend berücksichtigt wird, dass also langjährige Erfahrung in der Erwachsenenbildung nicht nur am (Zertifikats-)Papier, sondern ganz konkret am Arbeitsmarkt anerkannt und wertgeschätzt wird. Wir wünschen uns weiterhin eine gute Zusammenarbeit im Kooperativen System und dass die wba die Qualität der Erwachsenenbildung noch stärker sichtbar machen kann.

Bildung wirkt … stärkend und demokratiefördernd.

Weiterführende Informationen

Mehr über die Weiterbildungsakademie Österreich, wie zum Beispiel zum Ablauf einer wba-Zertifizierung, erfahren Sie auf der wba-Website.

Bildungsnetzwerk Steiermark