Bildungsberatung: Wege fortsetzen, Wege begleiten, Wege gestalten | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Bildungsberatung: Wege fortsetzen, Wege begleiten, Wege gestalten

August 2018
Ingeborg Melter

Ingeborg Melter im Interview
Ingeborg Melter ist seit 1997 am bifeb (Bundesinstitut für Erwachsenenbildung) tätig. Zu ihren Aufgabenbereichen zählen neben dem Qualitätsmanagement im bifeb in erster Linie die Leitung des Geschäftsfeldes Beratung, die Entwicklung und Leitung von Lehrgängen und Fortbildungsangeboten für Bildungs- und Berufsberatung, für Supervision und Coaching, die Beratung in pädagogischen Handlungsfeldern sowie die Mitarbeit in Gremien und Netzwerken.

Ingeborg Melter wird sich nun aus der aktiven Tätigkeit im bifeb zurückziehen. Für Monika Anclin (Projektleiterin der Bildungsberatung Österreich – Netzwerk Steiermark) Anlass zu einem Gespräch, …

Ingeborg, wie bist du damals eigentlich ans bifeb gekommen?
Ich bin 1997 über den Hinweis einer Freundin auf eine offene Stelle ans bifeb gekommen – zunächst war es eine Karenzvertretung für ein Jahr, danach erhielt ich eine Fixanstellung. Ich bin in einem interessanten Sokrates-Projekt zum Thema „Integration vs. Nationalismus“ gestartet: Ein guter Einstieg und für mich sehr lehrreich sowohl inhaltlich als auch durch die verschiedenen Anforderungen im Veranstaltungsmanagement und durch den internationalen Austausch. Die Bildungsberatung wurde erst danach zu einem wichtigen Thema am bifeb.
Eine gute Grundlagen für meine Arbeit und auch für mich persönlich waren zwei Ausbildungen, die ich in den ersten Jahren am bifeb absolvieren konnte: Bildungsmanagement und Supervision.

Die wba (Weiterbildungsakademie Österreich) anerkennt neben den Bereichen Bildungsmanagement, Training auch die Ausbildungen zur Bildungs- und Berufsberatung.
Ja so ist es bzw. man muss präzisieren: Grundsätzlich geht es bei der wba um Beratungskompetenzen in der Erwachsenenbildung. Beratung und Bildungsberatung sind aber nicht gleichzusetzen. Die Definition von Beratung geht bei der wba, so wie ich es lese, über die von Bildungs- und Berufsberatung hinaus. Der Begriff ist also weiter gefasst. Ausbildungen und Beratungspraxis im Bereich Bildungs- und Berufsberatung werden unter dem Begriff „Beratung“ anerkannt.

Du bist am bifeb ja auch für die Supervisionsausbildung verantwortlich. Ergänzen sich Bildungs- und Berufsberatung und Supervision oder sind sie zu verschieden?
Es passt schon zusammen – aber Bildungsberatung und Supervision sind verschiedene Formate der Beratung. D.h. sie unterschieden sich in Zielsetzung, Gegenstand, Voraussetzungen, Methoden – und sie werden im Allgemeinen in unterschiedlichen Kontexten angeboten und durchgeführt, Supervision mehrheitlich freiberuflich, Bildungs-und Berufsberatung mehrheitlich in Institutionen. In jedem Fall sollte man fundiert ausgebildet sein und gut beraten können.

Der erste Ausbildungslehrgang zur Bildungsberatung fand 1999/2000 am bifeb statt. Ist dieser von Beginn an gut angelaufen?
Ja, ist er, es war wirklich ein Glücksfall: in der Planung waren wir – mit wir meine ich Marika Hammerer und ich, wir arbeiten ja seit bald 20 Jahren zusammen – völlig frei, wir beschäftigten uns vorab über ein Jahr intensiv mit Zielgruppen, Konzepten, möglichen Inhalten, in Frage kommenden ReferentInnen und erhoben den Bedarf. Lifelong Guidance und damit die Bildungsberatung und -information (letztere war damals noch stark im Vordergrund) kamen gerade auf die bildungspolitische Agenda. Somit standen auch Fördermittel zur Professionalisierung und zur Qualifizierung von BeraterInnen zur Verfügung.
Der erste Lehrgang war ein noch vorsichtig dimensioniertes Fortbildungsangebot. Die große Nachfrage – wir hatten 80 BewerberInnen für 20 Plätze – hat den Bedarf an Qualifizierung von Bildungs- und BerufsberaterInnen allerdings überaus deutlich gemacht und uns für die Weiterarbeit beflügelt.

Neben den erfolgreich etablierten Lehrgängen hast du ja auch die Tagungen zu Bildungs- und Berufsberatung organisiert.
Ja richtig. Wir haben als Team – bestehend aus Marika Hammerer, Erika Kanelutti-Chilas, Gerhard Krötzl und mir (2014 war auch Wolfgang Stifter dabei) – seit 2010 im Zweijahresrhythmus fünf Tagungen konzipiert und durchgeführt. Wichtig war uns dabei, Bildungs- und Berufsberatung als ein alle Bildungsbereiche übergreifendes Angebot zu sehen und zu Austausch und Vernetzung zwischen Schule, Erwachsenenbildung, Universitäten und Hochschulen beizutragen.
Und wichtig war uns ebenso, Positionen zu Bildungs- und Berufsberatung aus theoretisch-wissenschaftlicher wie auch aus praktischer Perspektive sichtbar zu machen und eine Plattform für den Austausch zwischen Theorie und Praxis zu bieten.
Ich denke, dass mit diesen Tagungen – auch dank der internationalen ReferentInnen – eine gute Mischung gelungen ist.

Besonders gut gelungen ist, meiner Ansicht nach, auch die Dokumentation und weiterführende Ausarbeitung der Tagungsthemen in der Buch-Reihe „Zukunftsfeld Bildungs- und Berufsberatung“, die du ja auch mitherausgegeben hast. (https://www.bifeb.at/bibliothek/publikationen/zukunftsfeld-bildungs-und-berufsberatung/)
Ja, es sind jetzt 4 Bände, in denen eine sehr breite Palette an Themen, die die Bildungs- und Berufsberatung beschäftigt oder beschäftigen kann, aufbereitet ist.

Was war für dich bei deiner Arbeit im Feld der Bildungsberatung wichtig?
Der Bereich Bildungs- und Berufsberatung am bifeb geht weit über das Organisieren von Veranstaltungen hinaus, es ist eine sehr interessante, vielfältige und umfassende Prozessarbeit.
Die Erfolge der Lehrgänge und Tagungen waren vor allem auch durch die gute Zusammenarbeit in den Entwicklungs- und Reflexionsteams erst möglich. Über die Jahre hinweg sind einige enge und ausgesprochen gute berufliche und auch persönliche Verbindungen entstanden – wie eben mit dem Tagungsteam, aber auch mit den ReferentInnen des Lehrgangs, die zum Teil von Anfang an, oder zumindest doch über viele Jahre mitgearbeitet und mitgestaltet haben, wie z.B. Thomas Spielmann, Ursel Sickendiek, Wolfgang Schüers, Peter Weber, und viele viele andere …
Wir haben uns immer mit notwendigen Kompetenzen befasst, denn gute Bildungs- und Berufsberatung stellt sehr hohe Anforderungen an die BeraterInnen. Mit jedem Lehrgang, jeder Weiterbildung und natürlich den Tagungen haben wir weiter an den Themen und Inhalten „geschraubt“ und den Lehrgang entsprechend weiterentwickelt. Die Tagungsbände spiegeln dies und auch ein wenig wieder.

Ein großes Ziel war doch auch, das „Berufsbild Bildungsberatung“ zu schärfen?
Für die Zeitspanne, in der ich in dem Bereich tätig bin, sind mir inÖsterreich zumindest drei Berufsvereinigungen bekannt: VBB, öVBBL, VÖBB. Bei der zweiten, der Vereinigung für Bildungs-, Berufs- und LaufbahnberaterInnen (öVBBL, 2007 – 2014), war ich selbst Gründungsmitglied. Wir haben hier intensiv an einem Berufsbild gearbeitet. Vorarbeiten dazu gab es aber schon seit 2002 im Rahmen des öFBI, des österreichischen Forums für Bildungs- und BerufsberaterInnen.
Grundsätzlich scheint es mir aber schwierig, dass sich Bildungs- und BerufsberaterInnen in einer Berufsvereinigung organisieren, denn zum einen ist Bildungsberatung oft nur ein Teil der Tätigkeiten einer Organisation bzw. auch der beratenden Person selbst. Zum anderen sind die Rahmenbedingungen zumeist projektbasiert und damit nicht gesichert – und freiberufliche Tätigkeit ist in diesem Bereich kaum möglich.

Ein anderer Aufgabenbereich im bifeb war die Qualitätsentwicklung – in diesem Bereich ist in der Erwachsenenbildung allgemein und die Bildungsberatung im Besonderen in den letzten 15 Jahren einiges ins Laufen gekommen …
Ja, Qualitätsmanagement ist aber eindeutig eine institutionelle Aufgabe. Gutes Qualitätsmanagement durchzieht und beeinflusst jeden einzelnen Bereich einer Organisation und damit auch die Rahmenbedingungen, innerhalb derer etwa Bildungsberatung angeboten wird. Die Beratung selbst findet auf einer interaktiven Beziehungsebene statt und oft hat man nur diese Ebene im Blick und übersieht die Bedeutung des Kontextes. Es gilt sich also immer zu fragen, welche Strukturen einerseits und welche Qualifikationen andererseits notwendig sind, damit Bildungs- und Berufsberatung gut gelingen kann.

Zu den Beziehungen – wird sich deiner Einschätzung nach durch die Digitalisierung etwas in den Beratungsformaten verändern?
Ja, das hat ja schon begonnen. Im Rahmen des Lehrgangs haben wir darauf mit dem Einbau des Moduls „Online-Beratung“ reagiert. Ich könnte mir vorstellen, dass meine Nachfolgerin/mein Nachfolger das noch weiterentwickelt. Wichtig ist mir zu betonen, dass es in der Beratung in erster Linie um Beziehung geht, sei es über digitale Wege oder im direkten Kontakt. Face-to-face-Beratung wird als Format nicht aufhören zu bestehen, eine Kombination und Ergänzung durch digitale Möglichkeiten erscheint mir gut und wichtig.

Nach 21 Jahren am bifeb – Was möchtest du uns mitgeben? Gibt es Entwicklungen auf die man setzt sollte?
Einen einfachen guten Rat habe ich keinen. Das läge mir auch fern.
Am Beginn meiner Tätigkeit war ein großer Aufbruch zu spüren und wir hatten die Vision, Bildungsberatung als Beruf mit allem was dazu gehört zu etablieren. Hier ist wirklich viel gelungen. Die gesamte Erwachsenenbildung hat in den vergangenen Jahren ja einen unglaublichen Professionalisierungsschub erlebt. Zu Beginn waren wir sehr froh darüber, dank EU-Gelder Projekte initiieren und umsetzen zu können: für Qualifizierungen, den Netzwerkaufbau und anderes mehr. Heute sehe ich es eher kritisch, wenn nicht gar hinderlich für eine weitere Professionalisierung, wenn Bildungs- und Berufsberatung über weite Strecken über Projekte geschehen muss. Meiner Wahrnehmung nach werden fast nur noch Abrechnungs- und Dokumentationsformate diskutiert, für fachliche Diskussionen fehlen Raum, Zeit, Nerven und Energie.
Was ich heute aber doch raten kann – und mir auch wünschen würde – ist, unbedingt die gute Vernetzung der BeraterInnen-Community beizubehalten, zu pflegen und auch weiter auszubauen. Es gilt, auf „das Ganze“, aber auch auf sich selbst zu schauen. Besonders wichtig und förderlich ist für gute Beratung und natürlich auch für die BeraterInnen selbst, die Freude am Tun, am Beraten und am Austausch nicht zu verlieren.

Liebe Ingeborg Melter, da hast du, denke ich, die richtigen Worte gefunden um uns für die Zukunft zu stärken! Und das nehmen wir uns auch gerne als Motto für die Zukunft mit. Mir bleibt es, Dir viel Freude im Ruhestand zu wünschen, wobei ich mir bei einer so vielseitig interessierten und umtriebigen Frau gar nicht vorstellen könnte, dass der sehr ruhig wird. Danke für unser Gespräch!

Bildungsnetzwerk Steiermark

Monika Anclin & Claudia Zülsdorff | claudia.zuelsdorff@eb-stmk.at