„Es ist mehr Gleichberechtigung notwendig. Fremdsprachen kann man lernen, hören nicht.“ (Gabi Zemann, Leiterin Steirischer Landesverband der Gehörlosenvereine)
Gehörlose Menschen sind im Bildungsbereich besonders stark von Ausgrenzung betroffen. Wir haben uns daher in einem Workshop, der im Rahmen des Projekts „Barrierefreie Erwachsenenbildung“ unter dem Titel „Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit – Ausschlusskriterien für Weiterbildung?“ im Lesezentrum Steiermark stattgefunden hat, damit auseinandergesetzt, was Bildungseinrichtungen und Bibliotheken leisten können, um die Teilhabe schwerhöriger und gehörloser Menschen an Weiterbildung zu ermöglichen bzw. zu fördern.
Gleich zu Beginn ein herzliches „DANKE vielmals!“ an die Workshopleiterin Gabi Zemann und den Landesverband der Gehörlosenvereine für den tollen und informativen Workshop!
Einige zentrale Informationen aus dem Workshop möchten wir auf diesem Wege an Sie weitergeben:
Auch heute noch werden Menschen mit Hörbeeinträchtigung noch häufig als taubstumm bezeichnet – wohl in der falschen Annahme, dass zwischen Taubheit und Stummheit ein zwingender Zusammenhang besteht. Taubstumm ist ein diskriminierender Begriff, der falsch ist und von gehörlosen Menschen demzufolge auch abgelehnt wird. Gehörlose Menschen sind nicht stumm, sie können sprechen und sind keinesfalls sprachlos! Diskriminierende Begriffe wie taubstumm oder hörbehindert sollten also aus unserem Sprachgebrauch verschwinden.
Der Begriff taub sollte verwendet werden, wenn es sich um einen medizinischen Befund des Nicht-Hören-Könnens handelt. Korrekte Begriffe sind: gehörlos bzw. schwerhörig.
Medizinisches vs. Soziales Modell
Die angestrebte Inklusion bedingt, dass Menschen mit Beeinträchtigung in allen Bereichen des Lebens gleichberechtigt teilhaben können. Während in Amerika oder den skandinavischen Ländern gehörlose Menschen bereits selbstverständlich Teil der Gesellschaft sind und Unterricht in Gebärdensprache, Untertitel im Fernsehen oder die breite Bereitstellung von DolmetscherInnen durchwegs üblich sind, gilt es in Österreich noch viele Hürden und Barrieren zu überwinden.
Rund 9 100 Menschen in Österreich (lt. Mikrozensus) sind gehörlos, rund 6 % der ÖsterreicherInnen lebt mit beeinträchtigtem Hörvermögen. Für gehörlose Menschen ist die Österreichische Gebärdensprache Muttersprache.
Die Österreichische Gebärdensprache ist eine eigenständige, linguistisch vollwertige und natürliche Sprache, die seit 6. Juli 2005 lt. Verfassung (Artikel 8) anerkannte Minderheitensprache in Österreich ist. Das Bildungssystem reagiert darauf bislang allerdings wenig bis gar nicht, zweisprachigen Unterricht wird leider bis heute noch nicht angeboten.
Die Österreichische Gebärdensprache dient nicht nur der Kommunikation, sie ist auch Symbol für eine eigenständige Sprachgemeinschaft und Kultur (So haben sich z.B. eigene Lyrik-Formen und Formen des Geschichten-Erzählens entwickelt). Über das Erlernen der Sprache werden (gehörlose) Kinder auch in die Gruppe integriert und aktiv in das Gemeinschaftsleben der Gehörlosen eingebunden.
Die Österreichische Gebärdensprache unterscheidet sich stark von der deutschen Lautsprache (etwa in Grammatik und Syntax) und auch von der deutschen Schriftsprache. Wenig bekannt ist, dass demnach auch die deutsche Schriftsprache für gehörlose Menschen eine Fremdsprache darstellt.
Die Gebärdensprache ist nicht international – es gibt sogar verschiedene nationale Ausprägungen und Dialekte innerhalb Österreichs. Jedes Land hat seine eigene Gebärdensprache, so gibt es z.B. in Österreich die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS), in Deutschland die Deutsche Gebärdensprache (DGS) und in Amerika die American Sign Language (ASL).
Bei internationalen Veranstaltungen kommt oft das „International Sign“, also die internationale Gebärde mit englischem Mundbild zum Einsatz. Die internationale Gebärde eignet sich zwar gut dazu, wesentliche Inhalte verständlich zu machen, als eigene Sprache kann die interationale Gebärde aber nicht betrachtet werden.
Wirklich international ist nur das Fingeralphabet, das weltweit zum Buchstabieren Verwendung findet: Internationales Fingeralphabet >>
Ganz einfach: Sie sprechen.Da gehörlose Menschen ihre gesprochene Sprache selbst nicht hören können und auch die Grammatik ihrer Muttersprache sich stark von der deutschen Lautsprache unterscheidet, sind sie manchmal nicht leicht zu verstehen. Aber es klappt.Das Lesen des Mundbildes (Lippenlesen) ist bei der Verständigung hilfreich, als alleinige Informationsquelle sind allerdings oft Missverständnisse vorprogrammiert, denn „Lippenlesen“ ist äußerst schwierig und anstrengend (auch für Gehörlose!).
Was wirkt in der Kommunikation mit gehörlosen Menschen unterstützend?
Bei Veranstaltungen und bei Weiterbildungen/Kursen ist Gebärdensprachdolmetschung aber unerlässlich. Neben der Dolmetschung in Gebärdensprache ist auch gute Dokumentation sehr wichtig. Gehörlose Menschen können oft nicht gleichzeitig alle Informationen aufnehmen und profitieren sehr, wenn sie in guten Dokumenten nachlesen können.
– Vermittlung von professionellen Gebärdensprach-DolmetscherInnen
Die Dolmetschzentrale vermittelt GebärdensprachdolmetscherInnen (ausschließlich mit abgeschlossener Berufseignungsprüfung!) und steht für alle Fragen bezüglich Dolmetschung in ÖGS zur Verfügung.
Nach Ihrer Anfrage in der Zentrale wird ein Kostenvoranschlag erstellt bzw. werden Pauschalen für Veranstaltungen vereinbart. Bitte fragen Sie so früh wie möglich um DolmetscherInnen an (auch kurzfristige Anfragen werden entgegengenommen, eine erfolgreiche Vermittlung kann kurzfristig aber nicht immer garantiert werden). Um eine optimale Vermittlung zu gewährleisten, ist es wichtig die Dolmetschzentrale so gut wie möglich zu informieren über:
Nur für berufliche Weiterbildung „zum nachweislichen Erhalt oder nachweislich zur Schaffung eines Arbeitsplatzes“ werden (nach Antragstellung des/der Teilnehmer/in selbst) die Kosten für Dolmetschleistungen übernommen.
Wichtiger Hinweis für Bildungseinrichtungen:
Bei öffentliche Veranstaltungen, die von gehörlosen Menschen privat besucht werden – hierunter fallen auch alle Weiterbildungen, die nicht nachweislich zum Erhalt eines Arbeitsplatzes zwingend notwendig sind – haben Veranstalter bzw. die Bildungseinrichtung die Kosten für die Dolmetschleistungen zu tragen.
Bei Projekten, öffentlich finanzierten Initiativen, Veranstaltungen oder Lehrgängen empfiehlt es sich demnach, eventuell anfallende Dolmetschkosten im Vorhinein zu budgetieren!
Wenn Sie interessante Weiterbildungen auch für Gehörlose anbieten, so können die Angebote an den Gehörlosenverband geschickt werden, der die Infos gerne auch an die gehörlosen Personen weitergibt.
Kontakt zur DOLMETSCH-ZENTRALE und zum Landesverband:
Steirischer Landesverband der Gehörlosenvereine im ÖGLB
Plabutscher Straße 63, 8051 Graz | 0316 / 680271 | dol-zentrale@stlvgv.at