Literaturhinweis | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Literaturhinweis

April 2018

Lebenslanges Lernen im sozialstrukturellen Wandel

Hrsg.: Dieter Münk, Marcel Walter. UT: Ambivalenzen der Gestaltung von Berufsbiografien in der Moderne. 

Springer Verlag, Essen, Deutschland, 1.Auflage 2017, 272 Seiten
Rezensent: Stefan Csacsinovits

Das Buch ist eine Sammlung von 12 Beiträgen zusammengefasst in 3 Teilen, größtenteils verfasst von ProfessorInnen und MitarbeiterInnen des Instituts für Berufs- und Weiterbildung an der Universität Duisburg Essen, die zu unterschiedlichen Themen im Bereich Aus- und Weiterbildung forschen und publizieren.

Der Begriff Lebenslanges Lernen und die kritische Auseinandersetzung damit, stehen in vielen Beiträgen im Mittelpunkt. Es werden unterschiedliche Strategien beschrieben mit denen versucht wird, durch gesellschaftlichen Wandel hervorgerufenen Veränderungen im Bereich der beruflichen Lebensgestaltung, entgegenzuwirken. Neue, individuelle und gesellschaftlich relevante Ansätze werden für den Bereich der allgemeinen, beruflichen und politischen Bildung skizziert. Die eventuellen Grenzen des Lebenslangen Lernens, als Allheilmittel soziokultureller Verschiebungen und berufs- und arbeitsmarktpolitischer Veränderungen werden in dem Buch immer wieder thematisiert. Es ist somit an alle in der Berufs- und Erwachsenenbildung Tätigen adressiert, denn sowohl die Herausforderungen der Bildungsberatung und des Bildungsmanagements, als auch arbeitsmarktpolitische Fragen werden in dem Buch bearbeitet.

Im ersten Teil werden, unter anderem die Veränderungen in der deutschen Berufsausbildung skizziert und analysiert und nach Gründen und Folgen der kontinuierlichen steigenden StudienanfängerInnenzahl gesucht, die vor allem zulasten des dualen Berufsausbildungssystems gehen. Aber auch neuere Formen, wie duale oder Fernstudien und die zunehmende Durchlässigkeit für beruflich Qualifizierte ohne Hochschulzugang werden, teils kritisch beleuchtet.

Die europäische Perspektive, der Lissabonprozess und die Kopenhagenerklärung werden in einem Beitrag beschrieben und in Bezug auf die derzeitige Ausbildungssituation in Deutschland gesetzt.

Im letzten Beitrag des ersten Teils gehen die AutorInnen der Frage nach, ob die „Krise der Politik“ auch eine „Krise der politischen Bildung“ zur Folge hat. Sie verwenden dafür sowohl einen soziologischen, als auch pädagogischen Blick auf die aktuelle Situation und geben Ausblick auf zukünftige Herausforderungen.

Das betriebliche Bildungsmanagement im Spannungsfeld zwischen Personal- und Persönlichkeitsentwicklung sind Themen im ersten Beitrag des zweiten Teiles. Darüber hinaus werden von der Autorin neue Chancen durch laufendes, informelles Lernen, unterstützt durch die Möglichkeiten der Neuen Medien und die damit verbundene Neuausrichtung des betrieblichen Bildungsmanagements aufgezeigt. Soziales Lernen in unterschiedlich großen Gruppen und die Möglichkeiten die das Internet dafür bietet, stehen im Mittelpunkt des zweiten Beitrages. Den Abschluss dieses Teiles bilden die Auseinandersetzung mit der Ästhetik des Lernens mit Neuen Medien und die dadurch vorhandenen Potenziale dieser neuen Lernformen.

Der dritte Teil beginnt mit einem Beitrag, der sich mit dem Ende des klassischen Berufes beschäftigt, und bringt den Begriff „Employability“, als mögliche Antwort auf die veränderten Anforderungen des immer flexibler werdenden Arbeitsmarktes ins Spiel.

In den nächsten zwei Beiträgen werden die Bildungsberatung und die Biografieforschung als zwei Werkzeuge dargestellt, die als Teil der professionellen Erwachsenenbildung ihren Beitrag im Rahmen des „Lebenslangen Lernens“ leisten.

Zum Abschluss wird noch ein Blick auf den Arbeitsmarkt im Berufsfeld der Erwachsenenbildung selbst geworfen, speziell mit dem Fokus darauf, wo in diesem Berufsfeld prekäre Beschäftigungsverhältnisse herrschen und wo durchaus Sicherheit und gute Verdienstmöglichkeiten vorhanden sind.

Das Buch gibt einen sehr interessanten Einblick in die derzeitige Ausbildungssituation in Deutschland und die Diskussionen darüber, wie gesamteuropäische Entwicklungen das Ausbildungssystem in Deutschland beeinflussen. Vieles davon ist bestimmt mit Österreich vergleichbar und das Lesen des Buches hat mich sehr oft dazu veranlasst, nach vergleichbaren Zahlen und Fakten aus Österreich zu suchen. Die stark gestiegene StudienanfängerInnenquote in Kombination mit den Zugangsbeschränkungen an deutschen Universitäten zwingt bekanntlich viele deutsche StudentInnen nach Österreich.

„Employability“ oder auf Deutsch „(Individuelle) Beschäftigungsfähigkeit“, ein Begriff, der wie ich in dem Buch gelernt habe, vor allem in der Beschäftigungspolitik der Europäischen Union eine große Rolle spielt, hat mich sehr nachdenklich gemacht. Entstanden in den 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts soll die Verbesserung dieser „Embloyability“ eine Möglichkeit für Individuen und die Gesellschaft sein, sich vor Arbeitslosigkeit zu schützen, unter anderem natürlich mit gezielter Weiterbildung. Mit den durch die globalisierte Wirtschaft einhergehenden Veränderungen meine ich, auch durch meine Erfahrungen in der Bildungs- und Berufsberatung, dass die „Individuelle Beschäftigungsfähigkeit“ aktuell mehr als Einheit einer Skala dient, die zeigt, wer Chancen am Arbeitsmarkt hat und wer nicht, ohne dass dies Auswirkungen auf gesellschaftliche Entwicklungen am Arbeitsmarkt hat. Die Bildungsberatung scheint hier vor allem die Aufgabe einzunehmen, ihre KundInnen in dieser Skala weiter nach oben zu bringen, und dabei weniger etwas gesamtgesellschaftlich beizutragen.

Der zweite Teil des Buches ist, abgesehen von dem Aufzeigen der Möglichkeiten des Onlinelernens, für mich eher schwer lesbar. Die sehr theoretischen Ausführungen zum Thema Ästhetik der Neuen Medien, sind für mich als Praktiker, der im Rahmen der Online-Bildungsberatung tätig ist, kaum relevant, da ich einen rein funktionalen Zugang zur technischen Aufbereitung habe.

Die Biografieforschung ist eine der Grundlagen für die Bildungsberatung, sie hilft zu verstehen, welche Bedingungen unsere KundInnen möglicherweise vorfinden müssen, damit Weiterentwicklung im Verständnis des Lebenslangen Lernens möglich ist. Das die Biografieforschung dabei trotzdem nur allgemeine Hinweise geben kann, da Individuen bekanntlich sehr unterschiedlich sind, macht die Aufgabe der Bildungsberatung zusätzlich noch spannender, aber hilft Zusammenhänge besser zu verstehen.

Insgesamt bietet das Buch in manchen Beiträgen gute Impulse und macht Lust sich mit den behandelten Themen intensiver zu beschäftigen. Schade ist, dass zwar das Erscheinungsjahr des Buches bekannt ist, aber nicht, wann die einzelnen Beiträge verfasst wurden. Vor allem in jenen Beiträgen, wo es um den Einsatz neuer Medien in der Erwachsenenbildung geht, habe ich das Gefühl, dass die Beiträge nicht ganz aktuell sind, was sich auch in der zitierten Literatur wiederspiegelt. Zehn bis fünfzehn Jahre sind für das Thema Online-Lernen eine lange Zeit und deshalb scheint so mancher Beitrag bereits überholt.

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