Basisbildung Oberes Murtal | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Basisbildung Oberes Murtal

Ein Kooperationsprojekt von 2008 bis 2010

Die aktive Integration von Menschen in das Bildungssystem, die Basiskompetenzen nicht ausreichend erwerben konnten, ist eine der Voraussetzungen für lebenslanges Lernen.

Welche Perspektiven haben Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen die Fähigkeiten wie Lesen, Rechnen und Schreiben nicht oder nur unzureichend erlernen konnten? Welche Orientierungsmöglichkeiten gibt es für sie in unserer „Welt der Zahlen“ und „textgestützten Informationsgesellschaft“? Das Bildungsnetzwerk Steiermark stellte sich diesen Fragen und hat in den vergangenen Jahren im Oberen Murtal einen Prozess und ein Pilotprojekt zum Thema Basisbildung initiiert, vorbereitet und durchgeführt.

Ausgangslage

Wie können in einer Pilotregion (Oberes Murtal mit 100.000 EinwohnerInnen) Voraussetzungen für Basisbildung geschaffen werden? Was bedarf es an Grundlagen, an Entwicklungs- und Koordinationsprozessen und an längerfristigen Leistungen/Strukturen in der Region?

Die Kooperation des Bildungsnetzwerkes mit den Projektpartnern ISOP und IFA hat sich äußerst zielführend dargestellt. Die Zusammenarbeit war geprägt von großem Engagement für das Thema und der Bereitschaft, die umfassenden Erfahrungen, Kontakte und Kompetenzen der jeweiligen Organisationen/Personen in das Projekt einzubringen. Dadurch konnten neue und komplexe Aufgaben auch effizient erfüllt werden. In 26 Projektpartnertreffen wurden die einzelnen Maßnahmen entwickelt, abgestimmt und kooperativ umgesetzt. Gemeinsame Reflexion und Evaluierung der Maßnahmen schufen die Grundlagen für weitere, operative Schritte – eine Projektstruktur im Sinne einer lernenden Organisation wurde etabliert.

Projektmaßnahmen

1.  Aufbau von Expertise, Sensibilisierung für das Thema in der Region, Öffentlichkeitsarbeit  

Die Sensibilisierung für die Bedeutung ausreichender Basisbildung war ein wichtiges Arbeitsfeld des Projektes. Rund 4000 Menschen aus der Region Oberes Murtal konnten durch verschiedenste Aktionen, Presse- und Kooperationsgespräche, Tagungen, Präsentationen, Workshops, Seminare, Treffen der regionalen Entwicklungsgruppe und MultiplikatorInnentreffen erreicht werden. In der Projektzeit wurden 32 Presseartikel auf regionaler und überregionaler Ebene sowie  2 Beiträge im Radio und TV  zum Thema Basisbildung veröffentlicht.

2.      Zielgruppen- und Bedarfsanalyse, Verwertung der Ergebnisse   

Im Rahmen einer regionalen Analyse der Zielgruppen wurden erstmals grundlegende Daten in Bezug auf Basisbildung erhoben. Daraus konnten konkrete Aussagen über die Größenordnung und die Bedürfnisse der Zielgruppen gewonnen werden. Eine umfassende Publikation liegt vor, die Ergebnisse wurden breit regional, national und bei zwei Ereignissen international kommuniziert und diskutiert.

In der Region sind folgende (ausgewählte) Zielgruppen vorhanden:

  • Ca. 90 jährliche AbgängerInnen aus Pflichtschulen mit schlechten Leistungsbeurteilungen und keiner weiteren Ausbildung
  • Ca. 130 Jugendliche und junge Erwachsene, die jährlich diverse berufsvorbereitende und -orientierende Maßnahmen des AMS besuchen
  • Ca. 670 Lehrlinge in der Region mit geringen Basisbildungskompetenzen
  • Jährlich 190 Personen mit geringer Basisbildung in Qualifizierungsmaßnahmen des AMS
  • Jährlich zwischen 15 „bildungsferne“ arbeitslose Personen mit Basisbildungsbedarf in geförderten Beschäftigungsprojekten
  • Ca. 1000 geringqualifizierte Beschäftigte mit Basisbildungsbedarf in Branchen wie dem Bau- und Baunebengewerbe, im Tourismus, in unternehmensnahen Dienstleistungen und der Land- und Forstwirtschaft (dazu kommen hier auch noch die selbständigen LandwirtInnen und mithelfende Familienmitglieder)

Besonders interessantes Ergebnis der Bedarfsanalyse ist, dass die Befragten selbst hohe individuelle Bildungsbedarfe in den einzelnen Bereichen der Basisbildung (Lesen, Schreiben, Rechnen, Umgang mit dem PC) sehen und genau wissen, was sie gerne lernen/trainieren möchten. Wichtige Weiterbildungsgründe sind die Sicherung des Arbeitsplatzes, beruflicher Auf- oder Umstieg oder Aussicht auf höheres Einkommen. Als konkrete Bildungsbedarfe/Wünsche wurden genannt:

  • reden können,
  • Gespräche führen,
  • mit Geld haushalten können,
  • die Grundrechnungsarten sicher anwenden können,
  • mit dem PC umgehen können,
  • einfache Notizen und Mitteilungen schreiben, einfache Texte lesen, die neue Rechtschreibung beherrschen,
  • das Internet nutzen …

Diese umfassende Analyse im Oberen Murtal diente in weiterer Folge als Grundlage für die Kurs- und Angebotsentwicklung.

3.      TrainerInnen für Basisbildung  

Im Rahmen des Projektes wurde eine Ausbildung für TrainerInnen in der Basisbildung angeboten und in Zusammenarbeit mit dem „Netzwerk Basisbildung und Alphabetisierung in Österreich“ durchgeführt. Regionale BildungsanbieterInnen konnten so ihre TrainerInnen auf dieses neue Betätigungsfeld vorbereiten. 12 TrainerInnen wurden in 7 Modulen (Basislevel 1) ausgebildet und schlossen den (wba-akkreditierten) Ausbildungslehrgang für TrainerInnen der Basisbildung ab. Die TrainerInnen sind in der Region Oberes Murtal tätig.

4.      Angebotsentwicklung  

Auf Basis der regionalen Zielgruppenanalyse wurden gemeinsam mit lokalen BildungsanbieterInnen Kurs- und Beratungsangebote entwickelt und umgesetzt. Das Projekt unterstützte dabei die Bildungsinstitutionen in Form von Workshops und Beratungen und stellte Kontakte zu ExpertInnen und Netzwerken her. Von gesamt 10 Anbietern, die sich aktiv an der Entwicklungsgruppe beteiligten, entwickelten 7 neue Angebote. Im Projektzeitraum wurden drei davon erprobt. Diese drei neuen Basisbildungsangebote wurden bereits von 30 Personen in Anspruch genommen.

Ableitungen und Ergebnisse

  • Die Ergebnisse aus dem Projekt waren Grundlage für den Aufbau einer Grundversorgung mit Basisbildung und Nachholen von Pflichtschulabschlüssen in der Steiermark. Das Projekt mündete in einen Prozess zur „kooperativen Entwicklungsplanung Basisbildung Steiermark“ mit einem Ausbauszenario 2011-2015.
  • Erkenntnisse und Ergebnisse wurden in das Programmplanungsdokument der „Bund-Länderinitiative Erwachsenenbildung“ integriert.
  • Durch systematische Kommunikation (beispielsweise mit den LandesrätInnen für Bildung, für Wissenschaft und Soziales, den BildungssprecherInnen der Parteien, dem Landesschulrat, den BürgermeisterInnen in der Pilotregion …) stieg das Problembewusstsein zum Thema Basisbildung bei politisch verantwortlichen Personen in der Steiermark und wurde bei relevanten strategischen, inhaltlichen und organisatorischen Maßnahmen berücksichtigt werden (z. B. im Regionalen Entwicklungsplan für LLL des Landes Steiermark).
  • In der Pilotregion Oberes Murtal wurde das Profil der bisherigen Regionalstelle des Bildungsnetzwerkes, ausgehend von den Projekterfahrungen, ausgeweitet. Die Leistungen im Hinblick auf basisbildungsrelevate AkteurInnen, MultiplikatorInnen, Bildungsanbieter und letztlich der differenzierten Zielgruppe, wurden präzisiert und Maßnahmen zur regionalen Einbettung der neuen „Bund-Länder Förderinitiative“ vorbereitet.  
  • Als zentrale Drehscheibe hat das Bildungsnetzwerk Steiermark die Servicestelle für Basisbildung in Judenburg eingerichtet. Diese neue Servicestelle bot als Erstanlaufstelle für BildungskundInnen Beratung, Information und Übersicht zu allen aktuellen Angeboten in der Region. Zudem wurde die Servicestelle als zentraler Netzwerkknoten für weitere kooperative Entwicklungen in der Region in die regionale Bildungsarbeit implementiert. Auch für BildungsanbieterInnen und TrainerInnen wurden sehr spezifische Beratungsleistungen angeboten. Der Bildungstreff Oberes Murtal wurde bis Ende 2017 finanziert.

Kooperationspartner im Projekt

Bildungsnetzwerk Steiermark | ISOP – Innovative Sozialprojekte | IFA – Institut für Arbeitsmarktbetreuung und -forschung Steiermark

Kontakt

Bildungsnetzwerk Steiermark