Wahre Liebe überwindet Mauern und Grenzen | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Wahre Liebe überwindet Mauern und Grenzen

März 2024

Elke und Joachim Gruber sind seit 38 Jahren verheiratet. Sie, Bildungswissenschaftlerin und Professorin am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaften an der Universität Graz, er bis zu seiner Pensionierung Leiter des Bildungshauses Schloss Retzhof. Dass es überhaupt zu dieser Hochzeit gekommen ist, ist eine Geschichte voller Zufälle, Glücksfälle und mutig überwundener Hürden. Allen voran aber ist es eine Liebesgeschichte, die eindrucksvoll zeigt, dass Liebe im wahrsten Sinne des Wortes Mauern und Grenzen überwinden kann. Nicht weniger beeindruckend sind die Spuren, die beide in der heimischen Erwachsenenbildungs-Landschaft hinterlassen haben.

Elke und Joachim Gruber (Foto © Bildungsnetzwerk)

In der Erwachsenenbildung führt kein Weg an Elke und Joachim Gruber vorbei. Wie ist es zu diesem Bildungs-Paar gekommen?
Joachim: Das ist eine so unglaubliche Geschichte und ein Ergebnis von so vielen Zu- und Glücksfällen, da könnte man ein Buch drüber schreiben. Um es kurz zu machen: Ich habe einen Studienaufenthalt in der DDR gemacht – und Elke dort kennengelernt. Dass ich nach Berlin und nicht nach Leipzig, wie ursprünglich gedacht, fahren sollte, kam ganz kurzfristig.

Elke: Ich war Dissertantin an der Humboldt Universität zu Berlin. Uns wurde gesagt, dass ein Studierender aus Österreich kommt. Ich übernahm kurzfristig für eine Kollegin, die den Auftrag hatte, ihn ein bisschen zu betreuen.

Und daraus wurde dann gleich die sprichwörtlich große Liebe?
Elke: Ja, so kann man das sagen. Wir haben uns in einer Fachbibliothek der Humboldt-Universität, also tatsächlich an einem klassischen Lernort, kennengelernt. Er hat mir sofort gut gefallen wie er da stand mit seiner Mütze auf – da erinnere ich mich noch sehr gut daran.
Joachim: Tatsächlich gefunkt hat es dann in einer Theatervorstellung am Berliner Ensemble – bei „Galileo Galilei“ von Bert Brecht.

Was hat Sie an Joachim fasziniert?
Elke: Zunächst einmal, dass da einer aus einer völlig anderen Welt war, die man nur aus dem Fernsehen kannte. Aber auch wie er ausgesehen hat, wie er angezogen war hat mir gleich gefallen – das war alles so locker. Und ganz besonders war ich von der Sprache, dem Österreichisch, fasziniert.

Was hat Sie an Elke fasziniert?
Joachim: Alles! Wie das eben so ist, wenn man verliebt ist. Man denkt: Das muss jetzt gemeinsam weitergehen. Das macht man sicher auch nur wenn man verliebt, jung, energiegeladen und wohl auch ein bisschen naiv ist.

Das Hochzeitsfoto von 1986 (Foto © privat)

Ihr habt bereits nach vier Wochen beschlossen zu heiraten. Wieso das?
Elke: Wir wussten, dass eine Fernbeziehung nicht klappen kann. Ich habe mich also entschlossen, mit Joachim nach Österreich zu gehen. Weder eine Hochzeit noch eine Ausreise war aber so einfach möglich. Da musste ein Antrag auf Heirat mit Wohnortswechsel gestellt werden.
Joachim: Meine Frau musste nach Bekanntgabe ihrer Absicht, mich zu heiraten, sofort ihren Arbeitsplatz an der Universität verlassen. Sie hat quasi ihre berufliche Existenz für mich hingeschmissen. Geheiratet haben wir in Ostberlin im März 1986 in der so genannten Glühbirnenfabrik Narva – im Juni sind wir bereits ausgereist, nachdem wir zuvor ein halbes Jahr auf die Ausreisegenehmigungen gewartet hatten.

Da hat die Liebe tatsächlich Mauern und Grenzen überwinden lassen?
Elke: Ja, es war eine totale Lebensentscheidung. Ich wusste natürlich, dass ich nicht an der Uni bleiben werde dürfen. Ich musste sie nicht nur sofort verlassen, ich durfte auch nie wieder hin. Stattdessen wurde ich sofort dem Pflegedienst zugewiesen. Ich wusste schon, dass ich einiges riskiere, aber es herrschte ja grundsätzlich schon Aufbruchstimmung. Ich war in einer sehr kritischen Clique, da hatten einzelne Freunde auch bereits Ausreiseanträge gestellt.
Joachim: Wir haben, wie gesagt, ein halbes Jahr auf die Ausreisegenehmigung gewartet. Das war eigentlich verhältnismäßig schnell. Mit Österreich, einem neutralen Land, hatte man da einen Vorteil. Wer in die BRD wollte musste drei bis vier Jahre warten.

Und wie seid ihr zur Erwachsenenbildung gekommen?
Joachim: Bei mir war es eigentlich ein Zufall. Ich bin von Oberösterreich nach Graz gekommen, um zu studieren – hatte Kunstgeschichte und Pädagogik im Blickfeld. Ich ging auf die Uni, um mich beraten zu lassen. Am Kunstgeschichte-Institut war gerade Mittagspause, also habe ich zur Pädagogik geschaut. Und so bin ich in dieses Studium gerutscht. Merkte aber rasch, damit werde ich weder jemals eine Schule betreten noch irgendwie in Sachen Schule oder Schulreform mitreden dürfen. Entscheidend war dann die Gründung des Lehrstuhls für Erwachsenenbildung in Graz. Ich war einer der ersten, die da mit dabei waren. Dann bin ich Schritt für Schritt in diesen Bereich hineingewachsen – und der Erwachsenenbildung bis zu meiner Pensionierung im Vorjahr treu geblieben.
Elke: Ich wollte schon als Kind Erwachsene unterrichten und Professorin werden, durfte aber in der DDR zunächst die Matura nicht machen, weil mein Vater selbstständig war. Ich habe die Ausbildung zur diplomierten Krankenschwester gemacht und habe dann parallel die Matura nachgeholt und an der Humboldt-Universität studiert – mit dem Ziel, Professorin zu werden. Ich habe dann eine Stelle als Dissertantin bekommen. Als Joachim und ich nach Österreich gekommen sind, war das mit der Nostrifizierung alles sehr schwierig. Daher habe ich zunächst als mobile Hauskrankenpflegerin gearbeitet – bin mit dem Fahrrad durch Graz gefahren. Es waren dann eine Reihe von Zufalls- und Glücksmomenten, die mich wieder an die Universität gebracht haben – über die Aktion „Stellenlose Lehrer in der Erwachsenenbildung“ bin ich dann zur Erwachsenenbildung gekommen.

Was ist an der Erwachsenenbildung so faszinierend, dass ihr diesem Bereich ein Leben lang treu geblieben seit?
Elke: Ich bin ein pragmatischer Typ. Es hat sich, als ich eingestiegen bin, in der Erwachsenenbildung gerade sehr viel getan. In Österreich entstand ein regelrechter Erwachsenenbildungs-Boom. Da dachte ich mir: da bleibe ich! Die wirkliche Liebe zur Erwachsenenbildung ist dann mit der Zeit gekommen.
Joachim: Ich wollte ganz am Anfang ja noch nach Oberösterreich zurückgehen und Antiquitätenhändler werden. Elke wäre da aber niemals hingegangen, also bin ich in Graz geblieben. Im Studium hatte ich meinen Schwerpunkt auf die Erwachsenenbildung gelegt – darüber bin ich bis heute überaus glücklich. Dann haben mich Zufälle über verschiedenste Bereiche der Erwachsenenbildung, wo ich etwa auch die Weiterbildung an der Uni aufgebaut habe, schließlich in das Bildungshaus Schloß Retzhof geführt, wo ich vom Oktober 1999 bis zum Vorjahr Leiter war. Den Retzhof sozusagen in die Hand zu bekommen, gestalten zu dürfen, kreativ sein zu können – das war schon eine sehr faszinierende Zeit.

Und was ist eure ganz private LLL-Strategie – eure Strategie für die Lebens Lange Liebe?
Elke: Gegenseitige Achtung und den anderen zwischendurch auch immer wieder einmal in Ruhe lassen. Und, ganz wichtig, ein striktes Halbe-Halbe – auch und vor allem beim Geld.
Joachim: Man muss dem anderen seinen Freiraum lassen – so nach dem Motto: „living apart together!“. Die ökonomische Gleichstellung beziehungsweise Unabhängigkeit ist zweifelsohne etwas sehr Wichtiges.

Worüber unterhält sich ein Bildungs-Paar nach Feierabend und am Wochenende?
Elke und Joachim unisono: Über Erwachsenenbildung! Ja, ehrlich, wir haben uns sicher zehn Jahre lang nur diesem Thema gewidmet. Und mit Fragen beschäftigt wie: Was publizieren wir? Was veröffentlichen wir? Welches Projekt nehmen wir in Angriff?

Welche Vor- und auch Nachteile hat es, wenn man über Jahrzehnte in der gleichen Branche tätig ist?
Elke: Für uns waren es immer nur Vorteile. Er war in der Praxis, ich bin in der Theorie und Wissenschaft – das hat sich wunderbar ergänzt.
Joachim: So ist es. Außerdem hatten wir nie einen gemeinsamen Arbeitsplatz – das war wichtig und wäre auch nicht in Frage gekommen.

Wie seht Ihr den momentanen Stellenwert der Erwachsenenbildung in der Öffentlichkeit?
Elke: Die Erwachsenenbildung wird nicht in das Licht gesetzt, welches ihr zustünde. Die Menschen bilden sich zwar weiter, aber bildungspolitisch liegt die Präsenz der Erwachsenenbildung komplett unter dem Radar. Und das, obwohl die Erwachsenenbildung der größte Bildungsbereich in Österreich ist.

Warum ist das so?
Joachim: Man setzt da vielleicht zu wenig auf die Vorzüge althergebrachter Bildungshäuser, die großartige Orte für Bildungsangebote sind. Orte, wo man miteinander lebt, lernt, diskutiert – und das über Tage hinweg. Länder wie etwa Dänemark, wo die Erwachsenenbildung einen sehr hohen Stellenwert hat, sind dahingehend übrigens ideale Vorbilder – modern und zukunftsweisend. Wir haben ja auch durchaus gute Fundamente, man müsste aber alles etwas neuer denken.

Widmet Ihr Euch auch noch privat der Weiterbildung?
Elke: Oh ja! Ich bin beispielsweise ein großer Fan von Vorträgen – da besuche ich regelmäßig, verschiedenste Veranstaltungen. Auch online.
Joachim:Ich mache gerade Sprachkurse – italienisch und französisch. Und ich bilde mich laufend und gerne mit Reisen und Lesen fort.

Werdet ihr den Valentinstag feiern?
Elke und Joachim schmunzelnd: Bei uns ist jeder Tag ein Tag der Liebe!

Joachim: Bildung wirkt … wenn sie die Lebenswirklichkeit des Menschen berührt.
Elke: Bildung wirkt – was sonst?!

Das Interview erschien am 14. Februar 2024 auch online in der Woche Steiermark. Vielen Dank an die WOCHE Steiermark für die Berichterstattung und Kooperation!

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