Bildung für alle - 20 Jahre Erfahrung und eine Vision | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Bildung für alle – 20 Jahre Erfahrung und eine Vision

Oktober 2020

20 Jahre Erfahrung, Aufbauarbeit, Vernetzung und praktische Umsetzung barrierefreier Bildung und Beratung – Beatrix Eder Gregor übergibt die Leitung des biv-akademie für integrative Bildung.

Beatrix Eder-Gregor

Österreichweit in der Erwachsenenbildung bekannt als federführende Netzwerkerin, Entwicklerin, laute Stimme für Barrierefreiheit in der Erwachsenenbildung und die Förderung von Teilhabe – liebe Beatrix Eder-Gregor, zahllose Bildungseinrichtungen und BildungskundInnen konnten bereits durch von euch initiierte Projekte und professionell erstellte Materialien, Informationen, Broschüren und die offen geteilte Expertise profitieren …

Wie geht es euch im biv aktuell – laufen in dieser besonders herausfordernden Zeit dennoch neue Projekte?

Ja natürlich, einige! Zum Beispiel werden an der Volkshochschule Wien und mit Unterstützung des Fonds Soziales Wien, Licht ins Dunkel und der Bildungsberatung Wien laufend Kurse, Workshops und Seminare für Menschen mit Behinderung angeboten. Und in einem dreijährigen Erasmus-Projekt “All Inclusive – Adult Education and Inclusion: new cooperative approaches” wirkt das biv als Expertin mit … auch werden zurzeit gerade kurze Info-Filme gedreht, die die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in der Bildungsarbeit zeigen und die Möglichkeiten für Bildungseinrichtungen anschaulich machen.

Wir sind gespannt auf die Ergebnisse und Filme! Aktuell wird Digitalisierung ja besonders groß geschrieben – siehst du sie als Chance oder Fluch für die Barrierefreiheit in der Erwachsenenbildung?

Beides. Zum Einen bringt die Digitalisierung eine gute und effiziente Teilhabe-Möglichkeit für jene Menschen, die aus verschiedensten Gründen nicht bis zur Bildungseinrichtung kommen können. Personen aber, denen das dafür nötige technische Wissen fehlt, oder die das Equipment nicht haben, sind benachteiligt und bräuchten oft intensive Unterstützung. Viele Bereiche und Bildungsinhalte sind digital gar nicht vermittelbar und für Menschen mit kognitiver Behinderung sind digitale Angebote meist wenig geeignet. Darüber hinaus besteht die Gefahr der Vereinsamung. Digitale Bildungsangebote sind eine wichtige und gute Ergänzung, aber kein Ersatz für persönliche Begegnung.

Welche Bedeutung hat die Kommunikation und Zusammenarbeit auf Bundesebene?

Kommunikation und Vernetzung sind auf allen Ebenen – ganz besonders bei gesamtgesellschaftlich so wichtigen Themen wie der Barrierefreiheit in der Bildung und der Förderung von Teilhabe – unerlässlich. Das Bundesministerium für Bildung konnte als verlässlicher Partner gewonnen werden, der die Anliegen und die Weiterentwicklung des Themas Barrierefreiheit in der Bildung“ ernst nimmt und mit Projektförderungen unterstützt. So konnten u.a. zahlreiche Lehrmaterialien für erwachsene Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt und eingesetzt werden und in guter Zusammenarbeit wurde auf www.erwachsenenbildung.at das Schwerpunktthema „Barrierefreie Bildung“ etabliert. Auch das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung St. Wolfgang ist seit 2003 ein wertvoller Partner.

Worauf bist du im langjährigen Rückblick besonders stolz, was ist besonders gelungen?

Besonders stolz bin ich darauf, dass wir es geschafft haben, das Thema und die Bedeutung von barrierefreier Bildung bundesweit zu etablieren und laufend weiterzuentwickeln. Die Tagung in Strobl 2003 „Bildung für Alle“ war ein Grundstein in dieser Arbeit. Die Bedeutung von Begegnung behinderter und nicht behinderter Menschen wurde dort als so wertvolle Lernerfahrung erlebt, dass seither viele wichtige Schritte zur Barrierefreiheit in der Bildungsarbeit geleistet werden konnten. Daraus entwickelte sich das Fachgremium „Netzwerk inklusive Erwachsenenbildung“, das Menschen mit Behinderung und Fachleute aus der Erwachsenenbildung an einen Tisch gebracht hat. So konnten und können die unterschiedlichen Bedürfnisse erfahren und ausgetauscht werden. Voneinander Lernen war und ist hier immer das Motto. In diesem Gremium entstanden Broschüren und Info-Materialien mit konkrete Anregungen und Beispiele für die Umsetzung in der Bildungs- und Beratungspraxis, theoretische Hintergrundinformation und wichtige Kontaktadressen in den Bundesländern und über Bundesländergrenzen hinweg.

Vieles ist bereits entwickelt worden, wo ist heute deiner Ansicht nach noch wirklich viel zu tun?

Das Interesse und die Notwendigkeit an Angeboten in öffentlichen Bildungseinrichtungen muss weiterhin gestärkt werden – es bräuchte eine Grundfinanzierung von barrierefreier Bildung. Auch ist noch viel Information und Sensibilisierung der Einrichtungen der Erwachsenenbildung und auch der Behindertenverbände zum Thema barrierefreie Bildung nötig, damit dann systematische Vernetzung stattfinden kann und gemeinsame Vorgehensweisen, Kooperationen und Strategien zu einer gelingenden Umsetzung führen.

Gibt es etwas, das du in der Erwachsenenbildung Tätigen in Bezug auf barrierefreie Bildung unbedingt mitgeben möchtest?

Ja natürlich! Besonders wichtig ist: habt keine Angst vor Begegnung! Viele Unsicherheiten lassen sich schnell und einfach klären. Die KundInnen-Gruppe der Menschen, die auf barrierefreie Erwachsenenbildung angewiesen ist – hilfreich ist sie für ALLE – ist vielfältig und groß. Ich sehe es als Aufgabe der Erwachsenenbildung, alle Menschen mit Bildungsangeboten zu erreichen. Diese Bildung für Alle ist eine Vision – den Weg dorthin bereiten wir alle: angelegt ist er bereits, ihn zu verschönern, zu verbreitern und für alle gangbar zu machen, bleibt unsere Aufgabe.

Vielen Dank Beatrix Eder-Gregor für deine Worte heute und für die langjährig gute Kooperation und zuverlässige Vernetzung, die unermüdlichen Informationsleistungen und die vielen produktiven persönlichen Vernetzungstreffen für eine barrierefreiere Erwachsenenbildung! Wir wünschen dir alles Gute für deine nachberufliche Lebensphase!

Beatrix Eder-Gregor übergibt die Leitung des biv – die akademie für integrative Bildung mit 30.11.2020, für Vernetzung und Fragen im Kontext von barrierefreier Erwachsenenbildung freuen sich Mag. Beate Dietmann und Bruno Kirchner über Kontaktaufnahme.

Bildungsnetzwerk Steiermark

Claudia Zülsdorff