Frisch von der Uni | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Frisch von der Uni

Oktober 2019

Die Rolle von Hochschulen in der Kooperation mit gesellschaftlichen AkteurInnen im Rahmen der nachhaltigen Regionalentwicklung
Jonas Meyer: Dissertation, Universität Graz 2019

Im Abstract zu dieser neuen Forschungsarbeit ist u.a. zu lesen: „Hochschulen sind wichtige Impulsgeber für regionale Vernetzung und gemeinsame Forschungs- und Bildungsprozesse.“ Und „Dabei sind transdisziplinäre Kooperationen insofern notwendig, als dass sie aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz der Fragestellungen und des Wissensaustauschs zwischen Hochschulen und Gesellschaft geeignet sind, um regionalen Nachhaltigkeitsherausforderungen zu begegnen.“

BN: Herr Meyer, hat sich Ihrer Ansicht nach die Rolle der Universitäten in Bezug auf die regionalen Entwicklungen generell geöffnet, oder ist dieser praxisorientierte, der transdisziplinäre Zugang der Universitätsarbeit primär auf Projekte beschränkt?

Meyer: Neben der Forschungs- und Bildungsfunktion, spielt auch die strategische Vernetzung von Hochschulen in Regionen eine immer wichtigere und entscheidende Rolle. Diese wird auch als „Dritte Mission“ bezeichnet und umfasst ihre gesellschaftliche und kulturelle Relevanz für gesellschaftliche AkteurInnen.

Neben dem Wissensaustausch kann dies durch Technologie- und Innovationstransfer erfolgen. Darüber hinaus wird aber auch die zivilgesellschaftliche und politische Rolle von Hochschulen in der Regionalentwicklung betont. Die Möglichkeiten liegen hier vor allem im Aufbau und in der Stärkung von regionalen Netzwerken mit gesellschaftlichen AkteurInnen, um gemeinsam Strategien zu einer nachhaltigen Regionalentwicklung zu entwickeln. Gleichzeitig bringen Hochschulen externes Wissen und Ressourcen durch ihre internationale Vernetzung ein.

BN: Die Nachhaltigkeit ländlicher Entwicklungsprozesse wird immer wieder in Frage gestellt. Noch vor 15 Jahren wurde im Kampf gegen Abwanderung auf infrastrukturelle Verbesserungen, wirtschaftliche Anschubförderungen und die Förderung von Vernetzung und entsprechende grundlegende regionale Bildungsangebote gesetzt. Wenn wir uns aber z.B. an die „Lernenden Regionen“ in Deutschland erinnern, wo regionale Vernetzungsprozesse massiv projektorientiert unterstützt wurden und einige Jahre später, nach Rückgang der spezifischen Förderung, nur noch wenig an strukturierter Vernetzung erhalten werden konnte, stellt sich die Frage: was hat sich hinsichtlich der Nachhaltigkeit heute verbessert?

Meyer: Viele strukturschwache Regionen stehen nach wie vor vor sozioökonomischen Herausforderungen, die vor allem den demografischen Wandel betreffen, einen Rückgang von Beschäftigungsmöglichkeiten und die Abwanderung von Hochqualifizierten. Dies liegt einerseits an Globalisierungstendenzen und einer damit einhergehenden Homogenisierung von Lebensstilen, aber auch der technologische Fortschritt wirkt auf die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen.

Um diese Prozesse aktiv zu steuern, wurden verschiedene Strategien und Aktivitäten entwickelt und implementiert, mit unterschiedlichem Erfolg. Zentral gesteuerte globale Koordinierungsversuche, z.B. im Umgang mit dem Klimawandel, scheitern wiederum regelmäßig an den unterschiedlichen Bedürfnissen und Sichtweisen zwischen dem
globalen Norden und Süden.

Größere Potenziale für eine nachhaltige Entwicklung bieten hingegen dezentrale Lösungsansätze auf regionaler Ebene in unterschiedlichen Bereichen, wie etwa in der postfossilen Energienutzung, in regional basierenden Wirtschaftsansätzen oder in der Gestaltung gesünderer Lebensstile. Diese Lösungsansätze bauen auf die Identifizierung und Nutzung regionseigener Stärkefelder und Ressourcen sowie die Einbindung von Interessensgruppen und Zivilbevölkerung auf. Ziel ist es dabei sich selbst organisierende Strukturen zu fördern und zu etablieren, die gleichzeitig anpassungs- und veränderungsfähig sind.

BN: Sie beschreiben in Ihrer Arbeit, dass mit Bildung und Bildungsangeboten die Abwanderung aus ländlichen Gebieten nicht zu stoppen oder gar rückgängig zu machen ist. Heute wird häufig von Schrumpfungsprozessen, die es zu gestalten gilt, gesprochen. Inwieweit können Ihrer Ansicht nach (Weiter-) Bildungsaktivitäten von Hochschulen relevant für Regionalentwicklungsprozesse sein?

Meyer: Neben der Forschung stellen (Weiter-) Bildungsaktivitäten, verstanden als Bereitstellung von Wissen für unterschiedliche Zielgruppen, eine zentrale Funktion von Hochschulen in der Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen AkteurInnen dar. So können zum Beispiel Weiterbildungsprogramme für regionale AkteurInnen zur Lösung regional bedeutsamer Fragestellungen beitragen.

In dieser Arbeit wurde dazu die Entwicklung und Erprobung von Lehrmaterialien zur Lösung konkreter Nachhaltigkeits- und Regionalentwicklungsherausforderungen im Rahmen eines EU-Projekts vorgestellt.

Der Schwerpunkt dieser Lehrmaterialien lag dabei auf die Anwendung partizipativer und lernerInnenzentrierter didaktischer Konzepte sowie die direkte Einbindung betroffener regionaler AkteurInnen. Die daraus entstandenen Lehrmaterialien sollten damit nicht nur einen Beitrag zur Lösung spezifischer Nachhaltigkeitsherausforderungen in Regionen leisten, sondern auch zur Bewusstseinsbildung und zu einem gemeinsamen Lernen der beteiligten AkteurInnen beitragen.

Ziel war es außerdem, den jeweiligen Lernprozess und die Lernergebnisse der Lehrmaterialien anpassungsfähig zu gestalten, um spezifisch auf unterschiedliche AkteurInnengruppen und regionale Herausforderungen reagieren zu können.

BN: Sehr interessant! Lieber Herr Meyer, vielen herzlichen Dank für die Informationen zu Ihrer Forschungsarbeit!

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Download Abstract (pdf): der Dissertation:Jonas Meyer, Die Rolle von Hochschulen in der Kooperation mit gesellschaftlichen AkteurInnen im Rahmen der nachhaltigen Regionalentwicklung >>

Kontakt zum Autor: Jonas Meyer| jonas.meyer@uni-graz.at

Und noch ein Verweis aus der Forschungsarbeit zu einem
Fachartikel von Jonas Meyer/Thomas Höflehner:
„Nachhaltigkeit und Regionen – die Renaissance ländlicher Räume“ In: Nachhaltigkeit wofür? Von Chancen und Herausforderungen für eine nachhaltige Zukunft, Springer, 2016

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Claudia Zülsdorff | claudia.zuelsdorff@eb-stmk.at