Ist Weiterbildung primär weiblich?
Die LLL-Strategie des Landes Steiermark setzt einen Fokus auf Chancengleichheit und sieht Bildung als wesentliches Instrument, um gleichberechtigte Teilhabechancen von Frauen gesellschaftspolitisch sowie am Arbeitsmarkt zu fördern. In der Steiermark gibt es ein breites Weiterbildungs- und Bildungsberatungsangebot, nur werden diese auch gleichermaßen in Anspruch genommen?
Das Bildungsnetzwerk erhebt im Monitoring Steirische Erwachsenenbildung jährlich Kennzahlen zu Bildungsprogrammen, TeilnehmerInnen und den Rahmenbedingungen der anbietenden Organisationen. Die Daten für 2019 wurden vor Kurzem veröffentlicht (siehe auch Die steirische Erwachsenenbildung in Zahlen).
2019 waren rund 60% der TeilnehmerInnen weiblich und 40% männlich. Im Vergleich zum Vorjahr zeigte sich ein Anstieg weiblicher TeilnehmerInnen und eine Verstärkung der geschlechtsspezifischen Unterschiede in Bezug auf die Themenwahl:
Es zeigte sich, dass überdurchschnittlich viele Männer an Angeboten in den Themenfeldern „Technik, Handel, Gewerbe, Tourismus“, „Natur, Umwelt, Landwirtschaft“ und „EDV, Internet“ teilnahmen.
Die höchsten Frauenanteile zeigten sich hingegen bei „Lebensorientierung“ (inkl. Elternbildung), „Gesundheit, Wellness, Sport“ und „Pädagogik, Training, Soziale Arbeit“.
Wir haben uns auch die Frage gestellt, ob geschlechtsspezifische Interessensgewichtungen bereits in der Bildungsberatung sichtbar werden.
Überwiegend Frauen in der Bildungsberatung
Erfahrungen der Bildungsberatung im Laufe der letzten Jahre zeigten, dass Anfragen in allen Beratungsformaten primär von Frauen kamen. Sowohl in der persönlichen Beratung als auch im Bereich der telefonischen und E-Mail-Information haben vordergründig weibliche Bildungsinteressierte Anfragen gestellt.
Die Beratungszahlen des letzten Jahres untermauern diese Beobachtung auf plakative Weise. Die BeratungskundInnen im Bildungsnetzwerk setzten sich im Vorjahr aus 30% Männern und 70% Frauen zusammen. Der Frauenanteil liegt damit noch höher als bei den Weiterbildungsteilnahmen im Monitoring (siehe oben). Bei den Partnerorganisationen im Netzwerk Bildungsberatung zeigten sich im vergangenen Jahren mit rund 65% bzw. 60% Frauen ähnliche Zahlen.
Laut dem Adult Education Survey (2013) suchen Frauen häufiger nach Informationen als Männer. In der Bildungsberatung wurde auch die Erfahrung gemacht, dass Frauen schneller Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen. Interessant ist auch die Beobachtung aus den letzten Monaten, dass Frauen gerne für FreundInnen und Verwandte die Initiative ergreifen und häufig Fragen zum Thema Nachholen von Abschlüssen oder Förderungen stellen.
Im Vergleich zum Vorjahr zeigte sich ein Anstieg weiblicher Bildungsinteressierter und eine Verstärkung der geschlechtsspezifischen Unterschiede in Bezug auf die Themenwahl. Erwähnenswert ist auch, dass die von Männern und Frauen nachgefragten Berufsfelder nach wie vor eine klassische geschlechtsspezifische Streuung aufzeigen:
- Frauen interessierten sich zu einem höheren Anteil für die Themenbereiche „Soziales, Erziehung, Bildung“, „Büro, Wirtschaft, Finanzwesen und Recht“ und „Körper- und Schönheitspflege“.
- Männliche Beratungskunden zeigen mehr Interesse zu „Maschinen, KFZ und Metall“, „Bau, Holz“, „Elektrotechnik, Elektronik“ und „Informationstechnologie“.
Nach Ende des Covid-19-bedingten Lockdowns stieg die Anzahl der Beratungsanfragen im ersten Schritt stark an. Dieser Anstieg ging vorrangig auf weibliche Personen zurück, die sich im Juni sogar verdoppelten. Womöglich hatte dies mit der Hoffnung zu tun, dass „ein normales Leben“ wie vor der Pandemie in baldige Nähe gerückt ist. Die Anfragen männlicher Beratungskunden ging nach einem leichten Zuwachs wieder zurück.
Unsere Grafik spiegelt das alljährliche „Sommerloch“ sehr schön wider. Im Juli und August ging auch die Zahl der weiblichen Anfragen drastisch zurück, stieg aber mit Anfang September wieder auf ein vor dem Sommer beobachtetes Maß an. Im letzten Herbst meldeten sich Frauen „früher“ durch verstärkte Anfragen im Oktober, Männer erst im November.
Zusammenfassend kann klar gesagt werden: Sowohl Bildungsberatung als auch Weiterbildungsangebote werden häufiger von Frauen als von Männern in Anspruch genommen. Bei den Interessensgebieten und weiterführend bei der Themenwahl spiegeln sich klassische Geschlechterrollen wider.
Wir stellen uns in diesem Zusammenhang folgende Frage:
Inwiefern kann die Erwachsenenbildung einen Beitrag leisten, um Frauen bzw. Männer verstärkt für nicht-geschlechterspezifisch Themen zu begeistern?
Wir freuen uns über Ihre Erfahrungen aus der Praxis!