Literaturtipp: Veronika Bohrn Mena (2020): Die neue ArbeiterInnenklasse. Menschen in prekären Verhältnissen. 3. Auflage. Wien: ÖGB Verlag.
„Wenn du von deiner Arbeit nicht leben kannst, hast du dich eben nicht genug angestrengt“ ist nur einer der Leitsätze aus der aktuellen Leistungsgesellschaft, in welcher BürgerInnen in LeistungsträgerInnen und Nicht-LeistungsträgerInnen kategorisiert werden. Bildung war lange Zeit ein Erfolgsversprechen, um einen guten Job zu erlangen und Weiterbildung ein Rezept, um eine gute Position zu erhalten und weiter auszubauen. Es ist allerdings auch bekannt, dass Bildungschancen nicht gleich verteilt und abhängig von Ressourcen und sozialer Herkunft sind.
Zu Beginn des Buches werden politische Entwicklungen beschrieben, die die Tür zu prekärer Arbeit „nicht nur geöffnet, sondern ganz weit aufgerissen“ und dadurch ermöglicht haben, dass es überhaupt soweit kommen konnte. Eine zentrale Erkenntnis ist, dass die scheinbare Trennlinie zwischen geringem und hohem Bildungsabschluss nicht (mehr) allein über ein sicheres, ausreichendes Einkommen entscheidet. In bestimmten Branchen, v.a. im Handel, Gesundheits- und Sozialbereich, wird ein starkes Anwachsen von „instabil beschäftigten“ Personen aufgezeigt. Nach jedem Kapitel werden statistische Daten angeführt, die die geschilderten Probleme auch quantitativ belegen.
Veronika Bohrn Mena beschreibt den Alltag von 10 berufstätigen Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen. Was sie alle gemeinsam haben: Sie arbeiten in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis, in welchem arbeitsmarktpolitische Errungenschaften teils unter dem Dogma der Flexibilisierung gezielt umgangen werden. Ein paar Beispiele:
Weitere behandelte Themen sind sogenannte „Working poor“ (Vollzeit-Arbeitende, deren Einkommen nur knapp über der Armutsgrenze liegt), PraktikantInnen, Freie DienstnehmerInnen, LeiharbeiterInnen und der schwierige Wiedereinstieg für Frauen mit (mehreren) Kindern.
Bohrn Mena plädiert für Solidarität und ruft dazu auf, sich jenen Entwicklungen gemeinsam entgegenzustellen, die den vorherrschenden Druck des Arbeitsmarkts für uns alle weiter verschärfen.
Wir empfehlen dieses Buch allen Personen, die sich für gesellschaftliche Entwicklungen auch im Kontext Bildung, Beruf und die aktuelle arbeitsmarktpolitische Situation interessieren. Die angenehme Sprache und übersichtliche Darstellung ermöglicht flüssiges Lesen und gibt spannende Einblicke in teils unbekannte Lebensbereiche. Neben den kompakten Fakten zu beschriebenen Entwicklungen besticht der menschliche Zugang, durch die persönlichen Erfahrungen der Interviewten. Es sind wir alle, die unsere Gesellschaft ausmachen und gestalten. Schauen wir hin, seien wir wachsam und solidarisch und zeigen wir Missstände auf – noch ist es nicht zu spät!
Noch ein Hinweis: Veronika Bohrn Mena hat am diesjährigen Tag der Weiterbildung „Demokratie-Umwelt-Bildung“ am 15. September im Steiermarkhof einen brillanten Vortrag halten.
Mag.a Marlies Zechner