Wer seine Stimme nicht erhebt, bleibt ungehört … | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Wer seine Stimme nicht erhebt, bleibt ungehört …

Dezember 2020

Kerstin Slamanig (Geschäftsführung Bildungsnetzwerk Steiermark): Es gäbe so viele Themen, die wir aufnehmen und diskutieren sollten – für dieses Mal fokussieren wir den Aufruf, den Blick einmal auf die „Leisen“ zu richten.

Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende – die meisten Menschen sind wohl froh darüber und hoffen, dass sich ein solches Jahr nicht mehr wiederholen wird. Nüchtern betrachtet – sofern dies überhaupt möglich ist – darf attestiert werden, dass vielerorts spürbare anfängliche Hoffnungen, als Individuum, als Gesellschaft aus dieser Krise zu lernen, seit den letzten Wochen und Monaten doch auch getrübt wurden.

Jene, die die Chance sahen, dass ein System-Umdenken – wirtschaftlich und gesellschaftlich – angestoßen wurde, dass Umwelt- und Klimaschutz hier bereits integraler Bestandteil der Maßnahmen zur Krisenbekämpfung sein werden, dass die ersten Applaus-Orgien für MitarbeiterInnen im Bereich der Pflege, im Bereich des Lebensmittelhandels zu wirklichen Verbesserungen der Arbeits- und Lebenswelten führen würden, spüren die Enttäuschung. Und ja, Resignation macht leise. Und wer seine Stimme nicht erhebt, wird nicht gehört!

Es gäbe so viele Themen, die wir in diesem Kontext aufnehmen und diskutieren sollten – für dieses Mal fokussieren wir den Aufruf, den Blick auf die „Leisen“ zu richten: auf die vielen Frauen in unserem Land, die tagtäglich in systemrelevanten Bereichen arbeiten und das – an dieser Stelle darf ich Veronika Bohrn Mena zitieren – „so selbstverständlich wie unaufhörlich und dass sie unsichtbar, unerkannt, unbedankt und un(ter)bezahlt sind.“ (Veronika Bohrn Mena: Leistungsklasse. ÖGB Verlag 2020)

Warum ist das so? Warum sinken die Reallöhne in jenen Branchen, sobald mehr und mehr Frauen in ihnen tätig sind (z.B. im Bildungskontext). Warum freuen sich Frauen, wenn „er“ im Haushalt „mithilft“, oder auch zwischendurch einmal „die Kinder übernimmt“? Haben wir nach all den Jahren des Kampfes der mutigen Frauen früherer Generationen einfach aufgegeben? Glauben wir, wir wären wirklich gleichberechtigt? Liegt es halt „in der Natur“, dass Mädchen lieb und empathisch sind und Jungs wild und fordernd – Eigenschaften, die ja nicht weggehen, wenn „man“ erwachsen wird, die Beziehungs- und Arbeitswelt jeder und jedes einzelnen prägen.

Sind es gelernte Muster, aus denen wir mehrheitlich nicht auszubrechen in der Lage sind? Ist es einfach so und wir können eigentlich nichts machen? Wenn dem so wäre, wären Anstrengungen und Bemühungen für Verbesserungen von engagierten Frauen und Männern in Politik, der Zivilgesellschaft und im Bildungskontext vergebene Liebesmühe. Lassen wir uns nichts weiß machen – wenn dem so wäre, hätte es keine Entwicklungen zu unserer Gesellschaftsform hin gegeben. Also: es gilt laut zu sein, laut zu bleiben und zu fordern, unsere Gesellschaft weiter zu entwickeln und gerechter zu gestalten!

Wir können etwas tun! Wir können die Stimme erheben, wenn wir Ungerechtigkeit attestieren – ja. Und wann empfinden wir Ungerechtigkeit? Zum Beispiel wenn wir mitbekommen, dass unser Kollege für denselben Job mehr verdient? Transparente Löhne – wäre doch einen Versuch wert (klappt auch in Ländern wie Schweden gut).

Als Anregung in Richtung Förderungen z.B. auf EU-Ebene könnten beim ESF Projektförderungsstrukturen überdacht und „anerkannte“ Einstufungen von MitarbeiterInnen überarbeitet werden (bspw. im Kontext der Standardeinheitskosten Personal) – im Sozialbereich und der Erwachsenenbildung sind mehrheitlich Frauen beschäftigt, mehrheitlich Teilzeit und nicht in besonderem Maße abgesichert.

Was können wir in der Erwachsenenbildung auf Angebotsebene tun? Was in der Beratung? Wir müssen in der Erwachsenenbildung, in der Beratung erwachsene Frauen nicht in Berufe zwingen, wo es möglich ist, von einem Einkommen abgesichert zu leben, denn es stimmt: Was man gerne macht, macht man gut. Was wir in der Beratung tun können ist, Optionen aufzuzeigen. Was die Erwachsenenbildung tun kann, ist Menschen zu stärken, damit sie aktiver Teil unserer Gesellschaft sind und diese mitgestalten.

Elternbildung ist beispielweise ein zentraler Bestandteil im Bildungskanon für Erwachsene – hier werden für Eltern – Mütter und Väter – und Erziehungsberechtigte Angebote geschaffen, die in der Erziehungsarbeit stützen. Es geht hier ebenso stark ums Vorleben von Rollenbildern – denn zentral ist auch in unserer digitalen Zeit die Vorbildwirkung von Eltern, Erziehungsberechtigten, Familien und Freunden und – nicht zu verkennen die Rolle der Bildung von klein auf. Weiters sind Initiativen wie der Schwerpunkt „Frauen in Führungspositionen“ als Thema in Bildungseinrichtungen wichtig und werden gebraucht.

Denn: Bildung ist ein zentraler Schlüssel zur sozioökonomischen Absicherung und Bildung ist „primär weiblich“. Nur, leider ist Bildung nicht das einzige Rad, an dem wir drehen müssen. Daher: Seien wir laut und setzen wir uns alle dafür ein, dass die Wertschätzung für die „klassischen“ Frauenberufe (Soziales, Pflege, Bildung) sich auch in Verbesserung der Rahmenbedingungen widerspiegelt. Was wir alle machen können ist, im eigenen Umfeld wachsam zu sein und manches Mal ebenso Prozesse anzustoßen, Initiativen zu setzen, die unsere Gesellschaft wieder ein Stück weit menschlich gerechter machen. Nicht zu resignieren, nichts als gegeben hinnehmen – mutig bleiben, neugierig bleiben und laut sein! Unser Team im Bildungsnetzwerk freut sich auf ein gemeinsames und lautes 2021!

Eine schöne und erholsame Zeit zwischen den Zeiten wünscht Ihnen von Herzen,

Ihre Kerstin Slamanig

Bildungsnetzwerk Steiermark

Mag.a Kerstin Slamanig