Presseinformation: Trotz neun Jahren Grundschule: Mehr als 100.000 SteirerInnen haben Probleme mit Lesen und Schreiben | Bildung für Erwachsene in der Steiermark

Presseinformation: Trotz neun Jahren Grundschule: Mehr als 100.000 SteirerInnen haben Probleme mit Lesen und Schreiben

August 2022

Neun Jahre Schule und dennoch nicht in der Lage, sinnerfassend zu lesen! Dass das möglich ist, davon zeugen fast eine Million ÖsterreicherInnen – mehr als 100.000 leben allein in der Steiermark. Und mehr als die Hälfte davon hat Deutsch als Erstsprache. Obwohl es viele Möglichkeiten gibt, diese Basisbildung nachzuholen, wird das Problem aus Scham oft ein Leben lang versteckt – mit teils fatalen Folgen. Ein Weckruf im Jahr der Erwachsenenbildung – und anlässlich des Weltalphabetisierungstages am 8. September!

Presseinformation am 30. August 2022

„Ich habe die Brille vergessen, könnten Sie mir das bitte vorlesen?“ Oder: „Ich würde das Formular lieber mitnehmen und zu Hause ausfüllen!“ So klingen häufige Argumente, wenn Menschen ihre Lese- und Schreibschwäche zu verheimlichen suchen. Ein Defizit, von dem immerhin rund 100.000 Steirerinnen und Steirer sowie fast eine Million ÖsterreicherInnen betroffen sind. Eine Viertelmillion hat nicht nur eine Leseschwäche, sondern kann überhaupt nicht lesen. „Das Problem zieht sich quer durch alle Altersschichten und hat vielfältige Gründe. „Das kann an einem grundsätzlichen Desinteresse am Lernen in der Schule genauso liegen wie an Lehrern, bei denen sich Schüler einfach nicht wohl gefühlt haben“, erklärt Barbara Andree, Projektleiterin im Bereich Basisbildung beim gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt ISOP in Graz. Häufig liege es aber auch am familiären Hintergrund. Andree: „Wenn Bildung in der Familie keine große Rolle spielt, Kinder nicht mit Büchern und Zeitungen aufwachsen, dann sind das schon einmal denkbar schlechte Grundvoraussetzungen.“ Dass es dennoch gelingt, die Grundschule abzuschließen, verwundert Andree nicht: „Eine Note sagt ja noch nicht wirklich viel über die tatsächlichen Kompetenzen aus.“

Scham und eingeschränkte Lebensqualität

Abgesehen davon, dass Menschen mit Lese- und Schreibschwächen enorme Nachteile am Arbeitsmarkt haben, leidet auch ihr Alltagsleben massiv unter ihrem Handicap. „Wenn man Beipackzettel und amtliche Schreiben nicht lesen kann, ist das mitunter mit schlimmen Folgen verbunden. Wir haben in unseren Basisbildungskursen daher auch immer wieder TeilnehmerInnen, die Formulare mitbringen. Mitunter begleiten wir sie sogar zu einer Behörde“, gibt Andree Einblick in ein nach wie vor stark tabuisiertes Thema.

Das größte Problem sehen die ExpertInnen allerdings darin, dass Lese- und Schreibschwäche sowie Analphabetismus mit ganz viel Scham verbunden ist. Andree: „Die Menschen verstecken ihr Problem. Getrauen sich oft auch nicht in einen der vielen Basisbildungskurse, wo sie ihre Defizite ausgleichen könnten, sondern entwickeln unterschiedlichste Strategien, um sich durch das Leben zu schlagen.“
Wobei: Vertuschen ist oft schwieriger, als letztlich lesen zu lernen. Denn ist die Hemmschwelle einmal überschritten und getraut man sich in einen Kurs, wird meist sehr schnell deutlich, mit wie viel höherer Lebensqualität die Fähigkeit sinnerfassend lesen zu können verbunden ist. Was Betroffene letztlich dazu veranlasst, ihr Defizit doch auszugleichen? „Sie wollen etwa endlich ihre Mails lesen können. Sie wollen dem Enkerl vorlesen oder den Führerschein machen – wenn also die persönliche Not sehr groß wird. Oftmals hören sie aber auch von Freunden und Bekannten, dass es diese Kurse gibt und entschließen sich, zu uns zu kommen. Daher ist es so wichtig, dass sowohl das Thema als auch die Basisbildungsangebote verstärkt in die Öffentlichkeit getragen werden“, betont Andree.

Viele Angebote, um Basisbildung nachzuholen

Kerstin Slamanig, Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerkes Steiermark, appelliert: „Unser aller Ziel muss es sein, dass Menschen mit Leseschwäche durch entsprechende Basisbildungsangebote unterstützt werden. Nicht nur in Bezug auf den Arbeitsmarkt, auch gesellschaftlich müssen wir schauen, dass niemand zurückbleibt. Wer nicht sinnerfassend lesen kann, dem ist gesellschaftliche Teilhabe generell erschwert.“ Und: „Dafür ist es wichtig zu informieren und zu sensibilisieren. Es hilft Betroffenen enorm, Scham abzubauen und Hürden zu überwinden, wenn das Thema verstärkt öffentlich gemacht wird. Sehr eindrucksvoll hat sich das etwa kürzlich im Rahmen einer FernsehReportage zum Thema Analphabetismus gezeigt. Gerade im heurigen Jahr der Erwachsenenbildung muss auch in diesem so sensiblen und wichtigen Bereich verstärkt aufgezeigt werden, dass Bildung wirkt.“

Welche Institutionen in der Steiermark Angebote zu Basisbildung im Programm haben, findet man im Weiterbildungsnavi Steiermark: https://erwachsenenbildung-steiermark.at/info/basisbildung-pflichtschulabschluss/ – dort gibt es auch tausende weitere interessante Weiterbildungsmöglichkeiten: www.erwachsenenbildung-steiermark.at/angebot

Kontakt und Rückfragen:
Mag.a (FH) Kerstin Slamanig | Geschäftsführung Bildungsnetzwerk Steiermark |
kerstin.slamanig@eb-stmk.at | +43 664 4186814 | www.erwachsenenbildung-steiermark.at
Mag.a Johanna Vucak | Pressearbeit
johanna.vucak@eb-stmk.at | +43 664 41 23 2 23 | www.erwachsenenbildung-steiermark.at

Bildungsnetzwerk Steiermark