Basisbildung und grundlegende Bildungsabschlüsse neu denken
Am 7. September 2023 wurde online das Thema „Basisbildung und grundlegende Bildungsabschlüsse neu denken“ aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert. Die Veranstaltung ist ein weiterer Teil der Reihe „Erwachsenenbildung neu denken“ auf Initiative von Landesrat Werner Amon mit dem Ziel, notwendige Transformationsprozesse und zentrale Themen „out of the box“ zu diskutieren und für die geplante Steirische Erklärung der Erwachsenenbildung Rollen und Aufgaben herauszuarbeiten.
Die Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerk Steiermark, Kerstin Slamanig, überbrachte im Rahmen der Begrüßung die Grüße vom Bildungslandesrat Werner Amon, der kurzfristig absagen musste, und betonte die Bedeutung einer soliden Basisausbildung: „Sie ist das Fundament für individuelle und gesellschaftliche Entwicklung.“
Bildungschancen verbessern, soziale Mobilität fördern
Eine fundierte Basisbildung ist von zentraler Bedeutung für die individuelle Entwicklung und das gesellschaftliche Wohlstandsniveau. Sie legt den Grundstein für ein Verständnis von Kernkompetenzen wie Lesen, Schreiben, Rechnen sowie digitaler und auch sozialer Kompetenz. Darüber hinaus ermöglicht sie den Zugang zu einer breiteren Welt des Wissens und in die Gesellschaft.
Die Möglichkeit für Erwachsene, Bildungsabschlüsse nachzuholen, stellt eine entscheidende Brücke dar, um Bildungsgrenzen zu überwinden und Bildungsziele zu erreichen, die vielleicht in der Vergangenheit aus verschiedenen Gründen unerreichbar schienen. Dies kann von entscheidender Bedeutung sein, um individuelle Karriereziele zu verwirklichen, den Arbeitsmarkt besser zu erschließen und ein erfülltes Leben zu führen. Im Rahmen der Veranstaltung wurden diesbezüglich zwei erfolgreiche Initiativen, beide kooperativ zwischen Unternehmen und Erwachsenenbildung realisiert, vorgestellt.
Wirtschaft und Weiterbildung – gemeinsam Bildungschancen schaffen
Den Anfang machte das Kooperationsprojekt des Vereins nowa und des Lebensmittelkonzerns SPAR Steiermark, repräsentiert von Bettina Ploberger-Leiprecht und Eva Bloder (nowa), Petra Weikl (SPAR Steiermark, Personalentwicklung) und Hamza Cem Gürbüz (SPAR Steiermark, Programm-Teilnehmer).
Außerordentliche Lehrabschlussprüfung
Seinen Anfang fand die Kooperation zwischen SPAR Steiermark und nowa durch das Projekt Regionales Kompetenzzentrum für Bildung und Lernen vom Land Steiermark. Ziel dieses Projektes: Prekär beschäftigte Frauen zu höheren Qualifikationen zu verhelfen, damit deren Chancen am Arbeitsmarkt steigen. Zielgruppe dieses Projekt sind aber nicht alleine die Frauen, sondern auch Unternehmen und Institutionen und nowa ist mit diesem Angebot an SPAR Steiermark herangetreten. So begann die mittlerweile 10-jährige Kooperation. Während sich die ersten Lehrgänge ausschließlich an Frauen richteten, wurde auf Anstoß von SPAR Steiermark ein Lehrgang für Mitarbeitende entwickelt, die so individuell begleitet einen außerordentlichen Lehrabschlussprüfung machen können. Die Inhalte des Lehrgangs wurden mit der Wirtschaftskammer abgestimmt, damit die Teilnehmenden bestmöglich auf die LAP vorbereitet werden. Neben Wirtschafts- und Warenkunde werden im Lehrgang auch Softskills vermittelt und gestärkt.
Bettina Ploberger-Leiprecht (nowa) hebt einen Aspekt dieser Kooperation ganz besonders hervor: „Wir sind ein Dreigestirn, das großartig harmoniert.“ Sie spielt dabei auf die enge Kooperation mit SPAR Steiermark (hinsichtlich Programmentwicklung, Auswahlverfahren, Teilnehmerbetreuung und -begleitung), die gute Abstimmung mit der Wirtschaftskammer (Lehrgangsinhalte, Unterlagen einreichen) und die bewährte Basis mit dem Land Steiermark (Förderungspart) an. Dank letzterem ist es nowa möglich, Ausbildungsprogramme wie diese zu Preisen anzubieten, die für Unternehmen attraktiv sind.
Petra Weikl (SPAR Steiermark, Personalentwicklung) zeigt sich auch begeistert von dieser Kooperation und betont, dass die enge Abstimmung sowie die individuelle Betreuung und Begleitung von nowa essenziell für den Erfolg dieses Programms ist. „Das Programm wird jährlich evaluiert. Schließlich wollen wir uns immer weiterentwickeln und vor allem den Teilnehmenden das Maximum bieten können,“ so Weikl. Der Lehrgang ist im Unternehmen stark etabliert, ist ein wichtiger Bestandteil des internen Weiterbildungsprogramms. Gewisse Grundvoraussetzungen müssen Interessierte für die Teilnahme am Programm erfüllen (18. Lebensjahr und 18 Monate im Einzelhandel tätig). Bewerben für den Vorbereitungslehrgang für die Außerordentliche Lehrabschlussprüfung kann sich aber jede/r. „Wir haben sogar MitarbeiterInnen, die 50+ sind und durch dieses Angebot motiviert wurden ihre LAP nachzuholen“. Was das Unternehmen davon hat? „Gut ausgebildete Mitarbeitende und ein Programm, das wesentlich zur Mitarbeiterbindung beiträgt,“ so die überzeugte Antwort von Petra Weikl.
„Bildung wirkt“ heißt, sie wirkt bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern
Hamza Cem Gürbüz bestätigt das. Er war Teilnehmer des Programms und hat seine LAP so erfolgreich nachholen können. „Es ist schon eine Herausforderung. Arbeiten und am Abend noch lernen ist nicht immer einfach,“ meint er rückblickend. Gürbüz möchte die Zeit aber nicht missen. Begeistert erzählte er vom Zusammenhalt und dem Miteinander mit den LehrgangskollegInnen unterschiedlicher Herkunft, Alter und Erfahrungen und resümiert: „Ich habe mir neues Wissen angeeignet und das hat positiven Einfluss auf das Selbstbewusstsein.“
Viele Teilnehmende des Programms haben Migrationshintergrund, auch, da oftmals Schulabschlüsse in Österreich nicht anerkannt werden. Bei der Außerordentlichen Lehrabschlussprüfung stellt dies kein Problem dar – ein durchaus zentraler Punkt. Eva Bloder, die als Trainerin dieses Programms im Einsatz ist, berichtet, dass das Thema Sprache dennoch ein wesentlicher Aspekt ist, weil es doch viele Fachbegriffe zu wissen gilt. Ebenso dürfen unterschiedliche Bildungsniveaus oder negative Lernerfahrungen nicht außer Acht gelassen werden. „Es braucht die Begleitung, um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu motivieren und zu unterstützen,“ so Bloder. Für die Prüflinge ist nowa Anlaufstelle für organisatorische als auch inhaltliche Fragen – die Beziehungsebene ist auch hier elementares Kriterium für den Erfolg.
Offen sein, hinschauen, hinhören
Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden kennen und entsprechende Programme und Kurse anbieten. Basisbildung umfasst sämtliche Kompetenzen, die notwendig sind, um ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Darüber hinaus wirkt sich mangelnde Basisbildung negativ auf die Gesamtwirtschaft aus, indem sie die Produktivität verringert und soziale Ungleichheit verstärkt. Ohne eine angemessene Basisbildung können individuelle Chancen stark eingeschränkt sein. Menschen mit unzureichender Basisbildung haben oft Schwierigkeiten beim Finden von Arbeit, der Bewältigung alltäglicher Aufgaben und der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Das betont auch Kristina Stocker, Projektleiterin beim KUNSTLABOR Graz/uniT und berichtet über ein zweites erfolgreiches Praxisbeispiel, das im Projekt „Campus Basisbildung“ mit einem Pflegeheim umgesetzt wurde.
Erweitern der eigenen Kompetenzfelder
In Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern aus ganz Österreich (darunter die Volkshochschule Floridsdorf, ISOP (Innovative Sozialprojekte GmbH), BILL, Agenda, die Caritas-Schule und die Stadt Graz) wurde ein Modul mit unterschiedlichen Basisbildungspaketen entwickelt. Dabei waren vier Teilbereiche von zentraler Bedeutung: Sprachkompetenz, digitale Kompetenz, individuelle Kompetenz und berufliche Kompetenz. Bei den Inhalten des Basisbildungsmoduls wurde besonderes Augenmerk daraufgelegt, dass diese den Anforderungen im beruflichen Alltag gerecht werden. Wie man sich das praktisch vorstellen kann? Zum Beispiel, indem die Pflegedokumentation in kleinere Lernpakete strukturiert betrachtet wird – und die Teilnehmenden fokussieren jeweils auf ihre persönlichen Lernfelder, wie z.B. die Eingabe von digitalen Inhalten oder die Verbesserung der Deutschkenntnisse. Die Umsetzung des Moduls erfolgte in enger Zusammenarbeit mit einem Pflegeheim in St. Peter. Kristina Stocker beschreibt die Vorzüge des Projektes wie folgt: „Das Schöne an diesem Konzept ist, dass der Fokus bei den Teilbereichen an die Bedürfnisse des jeweiligen Betriebs und an die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer angepasst werden kann.“ Und das wissen Betriebe und Teilnehmende auch zu schätzen. Neben einem Modul für Pflegekräfte wurde z.B. auch eines für „Facility Services“ entwickelt.
Neben der Frage der Finanzierung sind auch hier zeitliche Ressourcen entscheidend. „Wenn das Absolvieren nicht während der Arbeitszeit möglich gewesen wäre, hätten die Teilnehmerinnen wahrscheinlich nicht teilgenommen,“ so die Einschätzung der Projektleiterin. Es braucht also nicht nur motivierte Teilnehmende, sondern auch verständnisvolle und engagierte ArbeitgeberInnen.
Aus dem Praxisteil kann zusammengefasst werden, dass Kooperationen mit individuellen Angeboten für Unternehmen, gut auf die Teilnehmenden abgestimmt, immer ein Mehrwert für Unternehmen sind. Dafür braucht es zeitliche und finanzielle Ressourcen und eine gute Beziehungsebene aller PartnerInnen – die Investition in Bildung ist für alle ein Gewinn.
Diskussion aktueller Herausforderungen
Nach diesen spannenden Erfahrungsberichten ging es dann mit drei Break-out-Sessions in Kleingruppen weiter. Die Gruppe rund um Moderator Philipp Assinger (Uni Graz) beschäftigte sich mit Fragenstellungen zum Thema Basisbildung und Bildungsabschlüsse nachholen am Arbeitsplatz. „Die Mitarbeitenden sind motiviert und wollen lernen. Gemeinsame Kurse, gemeinsames Lernen stärkt auch das Miteinander am Arbeitsplatz und das ist wiederum ein Benefit für das Unternehmen (Mitarbeiterbindung). Es braucht jedoch auch die richtigen Rahmenbedingen: Es braucht die Bereitschaft der Betriebe und ein ganz essenzieller Punkt ist hier auch das Thema Förderungen,“ fasst Assinger die diskutierten Punkte zusammen.
Einen Blick in die Zukunft wagten die Teilnehmenden, die auch aus anderen Bundesländern teilnahmen, mit Kerstin Slamanig (Bildungsnetzwerk Steiermark): Sie stellten sich Fragen zur Bildungsgrundversorgung im Jahr 2033 und kamen zu einem ersten Fazit: „Die Herausforderungen sind überall die gleichen: Es braucht eine stabile Struktur und eine nachhaltige Finanzierung. Nur so sind Beziehungsarbeit und ein Reagieren auf die steigenden Anforderungen möglich. Und das braucht Zeit. Es müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, wo Lernen überhaupt möglich wird. Und auch die TrainerInnen, das benötigte Fachpersonal, müssen dafür in der Erwachsenenbildung gehalten werden.
Die dritte Gruppe, geleitet und moderiert von Angelika Haas (VHS Steiermark), setzte sich mit Basisbildungsthemen im Kontext einer zukunftsfitten Gesellschaft auseinander. Haas resümiert: „Grundkompetenzen einer Basisbildung wie Sprache, Digitalisierung, soziale Kompetenz, Umwelt und Gesundheit – vieles davon wird von den Institutionen schon gut umgesetzt und im Unterricht/in den Lehrgängen integriert. Das Vorleben und mit erleben lassen sind hier wichtige Punkte der Basisbildung. Ein Mix aus theoretischer Wissensvermittlung durch ExpertInnen und Erlebnismöglichkeiten wie Wandertage, das Besuchen von Veranstaltungen oder Besuche bei Einrichtungen (zB Gesundheitszentren) hat sich in der Praxis bewährt. Dennoch braucht es in allen Bereichen niederschwelliges und bildstarkes Infomaterial. Nur so sind ein erfolgreiches Informieren und Sensibilisieren durch die TrainerInnen möglich.“
Basisbildung als Voraussetzung für den beruflichen Erfolg, lebenslanges Lernen und gesellschaftliche Teilhabe
Die Fähigkeit, sich kontinuierlich weiterzubilden und neue Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, ist in einer sich schnell verändernden Welt von größter Bedeutung. Die technologische Entwicklung, die Globalisierung und die wirtschaftlichen Veränderungen erfordern von jedem Einzelnen die Bereitschaft, sich anzupassen und neue Kompetenzen zu erlernen. Daher ist die Betrachtung von Basisbildung und der Möglichkeit, Bildungsanschlüsse nachzuholen, von höchster Relevanz für Bildungseinrichtungen, Regierungen, ArbeitgeberInnen und individuelle Lernende gleichermaßen.
„Es ist großartig, wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei unterstützen, sich weiterzubilden. Der Abschluss einer Aus- oder Weiterbildung ist sowohl eine individuelle Leistung jedes Einzelnen, bringt aber auch gleichzeitig einen Mehrwert für das Unternehmen“, so Werner Amon, Landesrat für Europa, Internationale Angelegenheiten, Bildung und Personal.
Ausblick und Dank
Das Bildungsnetzwerk bedankt sich bei allen Teilnehmenden, insbesondere bei den KooperationspartnerInnen, namentlich bei Bettina Ploberger-Leiprecht, Petra Weikl, Eva Bloder, Hamza Cem Gürbüz und Kristina Stocker für das Präsentieren der Erfolgsprojekte sowie bei Philipp Assinger und Angelika Haas für das Leiten der Break-out-Session.
Aus Sicht der Teilnehmenden sollen folgende Aspekte unbedingt in die Steirische Erklärung der Erwachsenenbildung mitaufgenommen werden: Bildungsprogramme, die auf Basisbildung und Bildungsabschlüsse am Arbeitsplatz abzielen, sind wichtig, benötigen allerdings stabile Rahmenbedingungen und mittel- bis langfristige Finanzierung. Das ist entscheidend, um Beziehungsarbeit zwischen Bildungsanbietern, Unternehmen und Lernenden zu ermöglichen. Der Zusammenschluss von Wirtschaft und Politik wäre ein neuer Ansatz, um Basisbildung effektiv zu fördern. So können Ressourcen und Unterstützung für Bildungsinitiativen sichergestellt und die Anpassung an die sich verändernden Anforderungen der Arbeitswelt und Gesellschaft ermöglicht werden. Die TrainerInnen leisten großartige Arbeit, verfügen über ein hohes Maß an Expertise und benötigen stabile Arbeitsbedingungen und Zeitressourcen, um die Lernenden weiterhin adäquat unterstützen zu können.
Die Veranstaltung der Reihe „Erwachsenenbildung neu denken“ auf Initiative des Bildungsressorts wurde im Rahmen von „Bildung wirkt“ kooperativ mit der Steirischen Erwachsenenbildung und vom Bildungsnetzwerk Steiermark durchgeführt.
Für Kooperationen und Ideen sind wir offen, wir freuen uns auf Ihre Rückfragen und Anregungen: